In Sardinien gab es bis vor gar nicht langer Zeit – der letzte belegte Fall datiert von 2003 - und vor allem in ländlichen Gebieten und schwer erreichbaren Bergdörfern die so genannte Accabadora: eine Frau, die in bestimmten Fällen von den Angehörigen eines Sterbenden gerufen wurde und dann nach vorgeschriebenen Regeln den Sterbeprozess verkürzte, indem sie mit einem Kissen, einer Art von Hämmerchen oder den bloßen Händen den Tod herbeiführte. Diese Art von aktiver Sterbehilfe – nie gesetzlich legitimiert, aber faktisch von Staat und Kirche geduldet - ist natürlich in den letzten Jahrzehnten sehr zurückgegangen und wird heutzutage wohl kaum noch praktiziert.

Aktive Sterbehilfe ist generell fast überall gesetzlich verboten und steht unter Strafe. Führt man sich vor Augen, dass sie durch das Verabreichen eines unmittelbar tödlich wirkenden Mittels oder auf andere Weise den Tod einer anderen, wenn auch sterbenskranken Person, herbeiführt, verwundert dies wenig. In Deutschland hat das Thema aufgrund der von den Nationalsozialisten durchgeführten Euthanasie-Programme, also der planmäßigen Ermordung von Psychiatriepatienten und behinderter Menschen, noch einmal eine besondere Brisanz.

Eine Ausnahmestellung nehmen in dieser Hinsicht die Benelux-Staaten ein. In allen drei Staaten befassen sich eigene Gesetze mit der Sterbehilfe und regeln die Voraussetzungen, unter denen aktive Sterbehilfe nicht strafbar ist: in den Niederlanden das Gesetz über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötung vom 12. April 2001, in Belgien das Gesetz über die Sterbehilfe vom 28. Mai 2002 und in Luxemburg das Gesetz über Sterbehilfe und assistierten Suizid vom 16. März 2009.
Am Beispiel der Niederlande, die in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle einnehmen, soll dies im Folgenden näher untersucht werden. Systematisch gesehen ist nach dem niederländischen Strafrecht die aktive Sterbehilfe zwar weiterhin strafbar. Aber für Ärzte wird in der einschlägigen Strafrechtsnorm eine Ausnahme gemacht, soweit eine Reihe von Sorgfaltskriterien eingehalten wird, die in Artikel 2 des seit 1. April 2002 geltenden, umgangssprachlich als „Sterbehilfegesetz“ bezeichneten Regelwerks näher beschrieben sind. Danach beinhalten diese  Sorgfaltskriterien, „… dass der Arzt
a) zu der Überzeugung gelangt ist , dass der Patient seine Bitte freiwillig und nach reiflicher Überlegung gestellt hat,
b) zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Zustand des Patienten aussichtslos und sein Leiden unerträglich ist,
c) den Patienten über dessen Situation und über dessen Aussichten aufgeklärt hat,
d) gemeinsam mit dem Patienten zu der Überzeugung gelangt ist, dass es für dessen Situation keine andere annehmbare Lösung gibt,
e) mindestens einen anderen, unabhängigen Arzt zu Rate gezogen hat, der den Patienten untersucht und schriftlich zu den unter den Buchstaben a bis d genannten Sorgfaltskriterien Stellung genommen hat, und
f) bei der Lebensbeendigung oder bei der Hilfe zur Selbsttötung mit medizinischer Sorgfalt vorgegangen ist (deutsche Übersetzung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin).
Besondere Regeln gelten für Minderjährige: Danach ist aktive Sterbehilfe bei Minderjährigen unter zwölf Jahren unzulässig, bei älteren Minderjährigen allerdings schon. In diesen Fällen muss der Minderjährige selbst um Lebensbeendigung bitten, wobei die Eltern oder Erziehungsberechtigten bei Minderjährigen zwischen 12 und 15 Jahren der Bitte zustimmen und bei 16- und 17-Jährigen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden müssen.
Nach einer Meldung des Ärzteblatts ist seit Juni 2013 auch die Sterbehilfe bei todkranken Babys unter besonderen Voraussetzungen legalisiert.
Da allerdings kein Arzt verpflichtet ist, aktive Sterbehilfe durchzuführen, konnte der Wunsch zu sterben häufig nicht umgesetzt werden, wenn der behandelnde Hausarzt sich weigerte.
Seit März 2012 gibt es deshalb auf Initiative der Niederländischen Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende (NVVE) in Den Haag eine Lebensendeklinik, in die Patienten gehen können,  die  keinen Arzt finden, der ihnen beim Sterben helfen will. Zudem wurden von dieser Klinik mehrere (nach unterschiedlichen Quellen sechs, 15 oder 30) ambulante Sterbehilfeteams aus Ärzten und Krankenschwestern gebildet, die durchs ganze Land reisen und Sterbehilfe leisten.
Die Ausführung des Gesetzes und die Entwicklung der aktiven Sterbehilfe werden von so genannten Regionalen Kontrollkommissionen für Sterbehilfe beobachtet, von denen auf dem Gebiet der Niederlande fünf eingerichtet wurden. Diese legen jeweils Jahresberichte vor, in denen sie Rechenschaft über ihre Prüfungstätigkeit ablegen, die sie gemäß dem Sterbehilfegesetz ausüben.
 Nach dem neuesten zugänglichen Jahresbericht von 2010 wurden in jenem Jahr 3136 Fälle von Lebensbeendigung auf Verlangen oder Hilfe bei der Selbsttötung gemeldet, im Verhältnis zu 2009 ein Anstieg von 19 %, nachdem die Anzahl der Fälle auch bereits in den Jahren davor jeweils angestiegen war.  Einen Grund für diesen Anstieg konnte der Jahresbericht nicht benennen.
Aufschlussreich sind die Zahlen, die einer Übersicht am Ende des Jahresberichts entnommen werden können: Danach erfolgte die weitaus überwiegende Anzahl der Meldungen (81,25 %) wegen einer Krebserkrankung. Die Lebensbeendigung auf Verlangen oder Hilfe bei der Selbsttötung fand in der Regel beim Patienten zuhause statt (in 78 % der Fälle) und in lediglich neun Fällen kamen die Kommissionen zu dem Ergebnis, dass die Sorgfaltskriterien nicht eingehalten wurden (das entspricht knapp 0,3 % der Fälle).
Im Jahresbericht selbst widmen sich die Regionalen Kontrollkommissionen sodann überwiegend der Auslegung der einzelnen Sorgfaltskriterien.  Dabei kommt der Jahresbericht zu dem Ergebnis, dass eine freiwillige und aus freiem Willen gestellte Bitte im Sinne von Art 2 lit. a des Sterbehilfegesetzes auch bei psychiatrischer Krankheit oder Störung, Hinzukommen von Beschwerden depressiver Art oder Demenzsyndrom gegeben sein kann. Ebenso kommt auch in diesen Fällen unerträgliches Leiden im Sinne von Artikel 2 lit. b in Betracht. Anhand von ausgewählten Beispielen werden schließlich Fälle illustriert, in denen den Sorgfaltskriterien Genüge getan wurde, so in einem Falle einer Alzheimer-Erkrankung im Anfangsstadium und einer Makuladegeneration.
Ohne den Bericht inhaltlich bewerten zu wollen, drängen sich jedoch drei Schlussfolgerungen auf:
1. Aktive Sterbehilfe konzentriert sich primär auf Krebs- und andere körperliche Erkrankungen. Die im Jahresbericht genannten Fälle von psychiatrischen Erkrankungen oder Demenz, an die man beim Thema Sterbehilfe kaum denkt, stellen zahlenmäßig ein Randphänomen dar.
2. Der frei gewählte Tod findet überwiegend in den eigenen vier Wänden statt, ist somit eine Abkehr vom anonymen Sterben im Krankenhaus. 
3. Staatliche Stellen in den Niederlanden stehen der aktiven Sterbehilfe zumindest wohlwollend gegenüber. Dieser Eindruck drängt sich nicht nur wegen der verschwindend geringen Anzahl von Fällen auf, bei denen nach Einschätzung der Kommissionen die Sorgfaltskriterien nicht beachtet wurden, sondern auch bei der im Einzelnen vorgenommenen Auslegung dieser Kriterien.
Die Reaktionen von dritter Seite sind weniger wohlwollend: Der Vatikan nennt die Niederlande ein „Paradies des Todes“, der Lebensschutz in Rheinland-Pfalz erklärt den festgestellten Anstieg der Fälle mit einem Gewöhnungseffekt, der sich einstellt, sobald eine Rechtsbarriere eingerissen wird, und nach Auffassung des Geschäftsführenden Vorstands der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung wird durch die ambulanten Sterbehilfeteams „die Idee einer humanen Tötung auf Wunsch des Patienten beerdigt“.

Manch einem wird die niederländische Praxis der Sterbehilfe zu weitgehend, die von Gesetzes wegen zulässige Tötung seitens eines Arztes zutiefst zuwider sein, andere werden sie als Teil der Selbstbestimmung jedes Menschen ansehen, die auch das Recht auf den selbst gewählten Tod beinhaltet.
Wie dem auch sei, ich enthalte mich hier bewusst einer eigenen Stellungnahme, denn der Leser, die Leserin dieses Artikels soll sich seine eigene Meinung bilden. Diese Bewertung des niederländischen Modells wird immer davon abhängen, wie man selbst zu (aktiver oder passiver) Sterbehilfe steht und welche eigenen Erfahrungen man diesbezüglich gemacht hat. 
Deutsche können die in den Niederlanden mögliche aktive Sterbehilfe übrigens nicht in Anspruch nehmen. Diese bleibt den eigenen Einwohnern vorbehalten.
Wolfgang Vogl