... und wieder gibt es Veränderungen bei der Sozialen Pflegeversicherung. Seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 erfuhr das System zahlreiche Änderungen und  Nachbesserungen: 2002 durch das Pflege-Ergänzungsgesetz, 2012 durch das Pflegeneuausrichtungsgesetz, im Jahr 2015 durch das Pflege-Stärkungsgesetz 1 und aktuell mittels der 2. Stufe des Stärkungsgesetzes. Weitere Anpassungen stehen unmittelbar bevor und werden folgen!

Mit Einführung der Versicherung wurde sehr schnell klar, dass die Absicherung zu kurz greift, weil sie ursprünglich auf den reinen pflegerischen Bedarf abstellte.  Insbesondere Menschen mit demenzieller Erkrankung, mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen wurden trotz eines erheblichen Unterstützungsbedarfes nicht in eine Pflegestufe eingestuft. Der allerorts geäußerten Kritik folgten in kleinsten Schritten partielle Änderungen. Mit der neuen Reform wird nun endlich der geforderte systemrelevante Wechsel eingeschlagen. Er äußert sich vor allem in der Definition eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, einem daraus abgeleiteten neuen Begutachtungssystem und einer Unterteilung in fünf Pflegegrade anstatt in drei Pflegestufen. Schätzungen gehen davon aus, dass zukünftig mehr als 500.000 Menschen zusätzlich Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung erwerben.

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff zielt nunmehr auf die gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen von Fähigkeiten und den infolgedessen erreichbaren Grad der Selbstständigkeit ab.  Über die Hilfe zur Pflege rücken jetzt alle elementaren Bereiche  der Lebensführung in das Blickfeld.  Begutachtet wird nicht mehr der zeitliche Aufwand für die Grundpflege, sondern die Abhängigkeit von personeller Hilfe im Hinblick auf ein selbstständig geführtes Leben.

Im neuen Begutachtungsverfahren werden die Lebensbereiche  Mobilität, Selbstversorgung, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie die Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte gewertet. Unterschieden wird danach, ob die Personen ihre Aktivitäten selbstständig, überwiegend selbstständig, überwiegend unselbstständig oder ausschließlich unselbstständig durchführen können. Die Bereiche außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung werden zwar begutachtet, wirken sich aber nicht punktemäßig auf die Einstufung aus. Alle Lebensbereiche untergliedern sich wiederum in bewertungsrelevante Einzelkriterien. Beispielhaft werden im Bereich Mobilität die Fähigkeiten Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereiches und das Treppensteigen gewertet. Wichtig zu wissen ist hierbei, dass eine Person auch dann als selbstständig eingestuft wird, wenn sie mittels Hilfsmitteln den Unterstützungsbedarf ausgleicht,  z. B. wenn ein Positionswechsel unter Zuhilfenahme eines elektrisch verstellbaren Betts oder mittels einer Strickleiter bewältigt wird. Dieser Umstand, sowie die Tatsache, dass die Begutachter des medizinischen Dienstes ohne Antrag des Betroffenen oder Vorliegen einer ärztlichen Verordnung Empfehlungen zur Hilfsmittelversorgung abgeben können, lässt vermuten, dass der Zugang zu technischen Hilfen zukünftig unproblematischer gewährt werden könnte. Die Gutachter werden auch Aussagen darüber treffen, inwieweit sie zum Erhalt oder zur Wiederherstellung einer weitgehenden Selbstständigkeit Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation für erforderlich halten.

Die Gesamtbewertung der Begutachtungskriterien mündet schließlich in die Eingruppierung einer 5-stufigen Pflegegrad-Skala ein, welche zwischen geringer, erheblicher, schwerer und schwerster Beeinträchtigung der Selbstständigkeit unterscheidet. Sollte eine schwerste Beeinträchtigung vorliegen, welche zudem besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung stellt (z. B. die Notwendigkeit von künstlicher Beatmung) entspricht dies dem Pflegegrad 5, vergleichbar mit der bisherigen Härtefall-Stufe.

Wir wissen nicht, was Ihnen Ihr Arzt oder Apotheker empfiehlt - der CBF gibt Ihnen folgende Tipps:

1. Stellen Sie einen Antrag auf die Einstufung in einen Pflegegrad.
Das neue Begutachtungssystem in Verbindung mit dem neuen Pflegebegriff ermöglicht vielen Menschen erstmals einen Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse zum Erhalt oder der Wiederherstellung Ihrer Selbstständigkeit. Dies gilt auch für den Fall, dass die Pflegeversicherung in der Vergangenheit Ihren Antrag abgelehnt hat!

2. Bereiten Sie sich gut auf die Begutachtung vor und bitten Sie eine Person Ihres Vertrauens, bei dem Termin anwesend zu sein.
Zur weiteren Vorbereitung empfehle ich Ihnen die Lektüre des „Praxisratgeber Pflegeversicherung“, erschienen im November 2016 im Walhalla Verlag.

3. Sollten Sie bereits in eine Pflegestufe eingruppiert sein,  müssen Sie nichts unternehmen.
Die Pflegekasse leitet Sie automatisch in einen Pflegegrad über. Bereits Mitte Dezember sollte Ihre Pflegekasse Ihnen einen Bescheid über den zukünftigen Pflegegrad und die Leistungen, die Ihnen zustehen, zugestellt haben.

4. Wenden Sie sich vor Antragstellung, aber auch bei Schwierigkeiten mit Ihrem Antrag oder Ihrer Überleitung in das neue System an eine unabhängige Pflegeberatung oder einen geeigneten Fachdienst. Gerne stehen auch wir für Ihre Fragen zur Verfügung.

 Peter Pabst