Die letztjährige Oktoberausgabe der Clubpost hatte als Schwerpunkt das Thema „Sterbehilfe“ und beleuchtete dabei ganz unterschiedliche Facetten. Bereits damals wurde deutlich, dass jeder seine ganz eigene Meinung in dieser höchstpersönlichen Frage hatte und auch in der Redaktion war das Meinungsbild keineswegs einheitlich. Anfang November wurden vom Bundestag nun gleich zwei wichtige Gesetze beschlossen, die ein würdiges und selbstbestimmtes Sterben zum Inhalt haben: zum einen das Hospiz- und Palliativgesetz, mit dem die Versorgung von Menschen an ihrem Lebensende verbessert werden soll, zum anderen ein neues Sterbehilfegesetz. Beide Gesetze sind durchaus in einem Zusammenhang zu sehen, da in der Politik vielfach die Auffassung vertreten wird, die derzeit als unzureichend empfundene Versorgung Sterbender und Todkranker sei ausschlaggebend für den in der Gesellschaft oft artikulierten Wunsch nach Liberalisierung der Sterbehilfe.

Konsequenterweise sollen im jetzt beschlossenen Hospiz- und Palliativgesetz deshalb die Krankenkassen ab 2016 ein Drittel mehr für Hospizversorgung und  Palliativmedizin aufwenden. Zusätzlich sollen 200 Millionen Euro für die Finanzierung der bestehenden Hospize, ambulanten Hospizdienste und Palliativstationen zur Verfügung gestellt und soll eine Verdichtung des jetzigen Netzes der Palliativ-Spezialteams, besonders in ländlichen Gebieten, angestrebt werden. Diese finanzielle Aufwertung der letzten Lebensphase wurde einhellig begrüßt. Genau an diesem Punkt entzündet sich aber auch Kritik, da eine alleinige Aufstockung der finanziellen Mittel zugunsten einer palliativen Versorgung nicht als ausreichend erachtet wird, immerhin sterbe ein Großteil der Menschen immer noch in Pflegeheimen und Krankenhäusern ohne Palliativstation, 

Dem ebenfalls Anfang November beschlossenen Sterbehilfegesetz ging eine lange und teilweise sehr emotional geführte Diskussion voraus, die lediglich aufgrund aktueller politischer Entwicklungen zuletzt etwas in den Hintergrund geraten ist. Dabei rangen Politiker unter Aufhebung aller Parteigrenzen um die zukünftige gesetzliche Regelung der Sterbehilfe. Wie in ethischen Fragen und die höchstpersönlichen Überzeugungen betreffenden Fällen üblich, wurde auch hier von vornherein der Fraktionszwang bei einem zu fassenden Beschluss über ein Sterbehilfegesetz ausgesetzt und so kristallisierten sich am Ende vier parteiübergreifende Vorschläge heraus, wie die Sterbehilfe zukünftig gesetzlich zu regeln sei. Diese unterschieden sich insbesondere hinsichtlich der Beurteilung gewerbsmäßiger Sterbehilfe und der Mitwirkung von Ärzten. 

Letztendlich setzte sich der Antrag der Abgeordneten Brand, Griese und Kollegen durch. Danach stellt ein neu geschaffener Tatbestand im Strafgesetzbuch eine geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe. Das bedeutet, dass Einzelpersonen und Sterbehilfevereine keine Beihilfe zur Selbsttötung als Dienstleistung anbieten dürfen. Dies kann einerseits als begrüßenswerte Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten des Lebens bei einer Abwägung der Grundwerte von Freiheit und Leben angesehen werden. Andererseits rückt diese Lösung  Palliativ- und Schmerzmediziner in die Nähe einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit, da ja jede Form der mehr als nur einmalig geleisteten Beihilfe zur Selbsttötung strafbewehrt ist

Bereits jetzt wird häufig von einem Sterbetourismus in die Schweiz gesprochen. Dort tätige Organisationen wie Exit und Dignitas ziehen immer mehr Sterbewillige an, nicht zuletzt aus Deutschland. Interessanterweise war der Neuen Zürcher Zeitung die Nachricht vom jetzt neu beschlossenen Sterbehilfegesetz am Tag nach der Beschlussfassung des Bundestags aber nicht einmal eine Meldung wert.

Beide Gesetze sind bislang nur vom Bundestag beschlossen, aber noch nicht in Kraft getreten. Sobald dies der Fall ist, werden wir die Neuerungen eingehend vorstellen.

Wolfgang Vogl