Der bekannte Münchner Saxophonist im Rollstuhl war ein kleiner Mann mit einem großen, ungewöhnlich schönen Kopf. Ein wohlgeformter Männerkopf, ein beachtlich hoher, runder Schädel, markant und ausdrucksvoll. Auf Jugendfotos schon zeigt er ein besonderes, ein unangepasstes Gesicht - frech, mit skeptischen Augen, abenteuerlustig. Später, als seine gesundheitlichen Belastungen schwerer wogen, erinnerte er mich immer mehr an die Heiligen auf alten Ikonen.
Ich habe ihn vor ein paar Jahren noch einmal in Bernried, seinem Lieblingsort am Starnberger See, getroffen. Er war entspannt und heiter, aber Husten und Kurzatmigkeit hatten ihn schon fest im Griff. Sein Gesicht erschien durchsichtig, mit skeptischem Blick nach wie vor, aber auch still und wissend. Eine männlich-zarte Erscheinung unter dem wettergegerbten Westernhut. Sein Kampf um Wiedergenesung war lang und mühsam. Schließlich musste er das Saxophon beiseite legen.
Dass er dieses Instrument so lange so virtuos spielen konnte, war das reine Wunder.  Denn mit eineinhalb Jahren bereits an Polio erkrankt, blieb der Körper klein und schmächtig. Dass er trotzdem gerade das Saxophon gewählt hatte, ein Instrument, das viel Körper- und Lungenkraft und einen ungewöhnlich kräftigen Atemstoß erfordert, ist nur mit unglaublicher Energie, gewaltigem inneren Antrieb und Entschlossenheit zu erklären. Und genau das war er, der Klaus Kreuzeder: Entschlossen, alles das zu erreichen, was er erreichen wollte, und zu ignorieren, dass das in seiner Lage eigentlich gar nicht erreichbar war.


Ich habe die Nachrufe gelesen, die jetzt zahlreich erschienen sind. Einige gefallen mir  nicht, denn sie versuchen, aus einem kleinen Behinderten einen großen Mann zu machen. Das ist falsch – er war ein großer Mann und – ganz nebenbei bemerkt – war er auch behindert.

Ingrid Leitner