Der Niederflurbus ist 25 Jahre alt geworden Welche Städte man auch immer in Europa und sogar auf anderen Kontinenten besucht, überall sind im öffentlichen Nahverkehr Niederflurbusse mit Kneeling und einer Einstieghilfe für Rollstühle unterwegs. Vor Kurzem war ich in Lyon, wo natürlich auch Niederflurbusse fahren, und die Verkehrsbetriebe dort gaben sich bei einer Führung im Rahmen von Eurocities so, als hätten sie ihn selbst erfunden. Ich musste schmunzeln und hätte am liebsten, wie die Schweizer in der bekannten Ricola-Werbung, gerufen: „Wer hat’s erfunden?“

Es ist schön, dass eine Entwicklung, die vor 25 Jahren in München begonnen hat, so ein großer Erfolg geworden ist. Dies zeigt, dass die Zeit für ein Verkehrsmittel, das alle befördert und niemanden ausschließt, damals überreif gewesen ist. 1987 herrschten in München Bedingungen, die den Einsatz von Niederflurbussen ermöglicht haben: Die rot-grüne Stadtregierung befand sich im Honeymoon und warentschlossen, den fahrgastfreundlichen Ausbau des Personennahverkehrs voranzutreiben. Bei den Verkehrsbetrieben hatten ein Technischer Direktor (Heinz Halder) und ein Werksdirektor (Dieter Buhmann) das Sagen, die beide dazu bereit waren, neue Entwicklungen in diese Richtung mitzutragen. Zudem war 1986 der Facharbeitskreis Mobilität des Behindertenbeirats, in dem zu Anfang Mitglieder aller im Stadtrat vertretenen Parteien mit Menschen mit Behinderung und ihren Verbänden zusammenarbeiteten, gegründet worden. Die Forderungen der Behinderten wurden hervorragend vertreten von Dieter Richthammer vom CBF, der aufgrund einer Muskeldystrophie selbst im Elektrorollstuhl saß und Experte für die Belange von Menschen mit Behinderungen im Öffentlichen Verkehr und für barrierefreies Bauen wurde.

1986, auf einer gemeinsamen Informationsfahrt nach Stuttgart und Heidelberg, wo Hochflurgelenkbusse mit Lift für Rollstuhlfahrer besichtigt wurden, einigte man sich auf ein Verkehrsmittel, das nicht nur Rollstuhlfahrern, sondern allen Mobilitätsbehinderten die Teilnahme am ÖPNV ermöglichen bzw. erleichtern sollte. Dies konnte nur ein Niederflurbus sein, der mit einer Einstiegshilfe für Rollstühle sowie mit Stellplätzen für Rollstühle ausgestattet werden musste. Lediglich ein Hersteller war bereit, einen derartigen Bus zu konstruieren: die Firma Neoplan, damals geleitet von ihrem Geschäftsführer Konrad Auwärter. Sie musste eine Reihe schwerwiegender technischer Probleme lösen, da bei Niederflurbussen wegen des niedrigen Bodens der Platz für Aggregate, Druckluftanlage usw. begrenzt ist. Auch der Einbau des Motors bereitete großes Kopfzerbrechen. Dennoch konnte bereits 1987 einem staunenden Publikum der erste Niederflurbus präsentiert werden. Ab dem 16. Mai 1987 wurde er auf der Linie 52 auf seine Praxistauglichkeit hin getestet. Doch dem ersten Niederflurbus waren leider nur wenige Monate beschieden: Bei einem verheerenden Großbrand im Betriebshof Ost brannten er sowie 20 Gelenkbusse in der Nacht vom 6. auf den 7. September vollständig aus. Zum Glück hatte die Firma Neoplan für die IAA einen zweiten Niederflurbus gefertigt, der unmittelbar nach Beendigung der Ausstellung an den Start gehen konnte.

Auf die Niederflurbusse folgten bei der Münchner Verkehrsgesellschaft die Niederflurstraßenbahnen. Heute kann sich kaum ein Fahrgast mehr vorstellen, wie es ist, mit einem Kinderwagen über Stufen in Verkehrsmittel klettern zu müssen. Auch kann sich heute niemand mehr vorstellen, dass wir damals allen Ernstes ständig betonen mussten, es gebe wirklich genügend RollstuhlfahrerInnen, die mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren möchten, und nicht nur ein paar Spinner, und dass es nicht reiche, jeden dritten (!) Bus mit einer Einstiegshilfe zu versehen. Dabei war es doch so einfach: Sobald die Möglichkeit bestand, einen Bus zu benutzen, wurde sie auch genutzt. Es war dann auch noch ein harter Kampf, durchzusetzen, alle Busse von Privatunternehmen, die für die MVG fuhren (ca. 40 Prozent), mit Klapprampen auszustatten.

Die Entwicklung schreitet weiter voran: Weil die MVG die Masse der Fahrgäste anders nicht mehr bewältigen kann, werden in München auf Linien mit besonders hohem Fahrgastaufkommen in Zukunft sogenannte Buszüge eingesetzt, Busse mit Anhänger. Jeder Anhänger wird eine Sprechverbindung mit dem Fahrer besitzen, videoüberwacht und mit einer Klapprampe für Rollstühle ausgerüstet sein. Dass der Niederflurbus so gut angenommen wird, schafft aber auch Probleme. Eines davon beschäftigt uns, den Facharbeitskreis Mobilität, in letzter Zeit häufiger: Es gibt im Bus zwei Rollstuhlplätze. Stehen auf diesen jedoch Kinderwagen, dann passt kein Rollstuhl mehr hin. Die Kinderwagen können auch anderswo abgestellt werden, z. B. im Gang, die Rollstühle dürfen aber nur an diesen zwei Plätzen stehen. Hier würden wir uns wünschen, dass die Busfahrer die Rollstuhlfahrer nicht einfach draußen stehen ließen, sondern die Fahrgäste mit Kinderwagen darauf hinwiesen, dass es im Bus auch andere Stellflächen gibt und sie den Rollstühlen Platz machen sollten. Denn auch Menschen, die im Rollstuhl sitzen, müssen in die Arbeit fahren und Termine einhalten.

Carola Walla