Foto dieter Richthammer Dieses Heft ist mit seinem Schwerpunkt unserem kürzlich verstorbenen Clubmitglied Dieter Richthammer gewidmet, der über 30 Jahre wichtige Aufgaben für den Club übernommen und die Gestaltung einer barrierefreien Umwelt nicht nur in München und Bayern, sondern in der ganzen Bundesrepublik maßgeblich beeinflusst hat.

Trauerrede von Dr. Ruth Kern:

Liebe Familie Richthammer, liebe Freunde, liebe Trauergemeinde!

Es war Dieters Wunsch, dass ich heute hier stehe und wir zusammen der gemeinsam verbrachten Jahre gedenken.
Dieter wurde 1938 in Amberg, also in der Oberpfalz geboren und wollte Maler werden. Bereits 1955, als seine Lehre abgeschlossen war, machte sich seine Krankheit bemerkbar und er musste nach wenigen Jahren den Beruf aufgeben.
Seit 1963 benötigte er außerhalb des Hauses einen Rollstuhl, seit 1968 einen E-Stuhl auch innerhalb der Wohnung. Es war nicht Dieters Art, resigniert und untätig im Rollstuhl zu sitzen. Bereits 1969 gründete er in Amberg eine Selbsthilfegruppe und von da an setzte er sich unermüdlich für die Belange behinderter Menschen ein.
1971 erfolgte die erste Umschulung zum Industriekaufmann in Heidelberg. Er betonte immer, dass er in den zwei Jahren in Heidelberg den Grundstock seiner Kenntnisse über Behinderungen erworben hatte: 80 Umschüler mit den verschiedensten Behinderungen, größtenteils Rollstuhlfahrer, konnte er beobachten, ja studieren, und konnte dabei erkennen, wie unterschiedlich Menschen auf eine Behinderung reagieren, wie unterschiedlich sie mit den veränderten Lebensbedingungen fertig wurden.
Er erkannte dabei auch, wie wesentlich eine rollstuhlfreundliche - von rollstuhlgerecht konnte man damals noch nicht einmal träumen - Umwelt ist. Er begann, sich mit Stufenbeseitigung und Wegeführungen im und um den Klinikbereich zu kümmern. 1973 war die Umschulung beendet, aber nach längerer Arbeitslosigkeit ließ er sich 1974 zum Datenverarbeitungskaufmann umschulen und bekam 1975 bei der Pfennigparade in München eine Anstellung in einer neugegründeten Abteilung, die für fremde Firmen mit IBM-Anlagen arbeitete. Zwölf Behinderte waren dort für Siemens tätig - heute beschäftigt diese Abteilung 250 Behinderte.
1975 heiratete er Gerda, die er in Heidelberg kennen gelernt hatte;
1976 zogen die Eheleute in eine barrierefreie Wohnung in der Pfennigparade. 1977 trat Dieter in den CBF München ein, wie viele von Euch wissen, eine Selbsthilfegruppe mit Ingrid Leitner als Vorsitzender. Sehr rasch gehörte er dem Vorstand an und arbeitete bis zu seinem Tod ehrenamtlich bei allen nur erdenklichen Gremien mit, die sich mit barrierefreier Umwelt beschäftigen.
Keine Anstrengung war ihm zu viel, keine Reise zu Ausschüssen in der ganzen Bundesrepublik zu beschwerlich, um sein Ziel zu erreichen. Beschäftigte sich der CBF München zunächst mit der Situation in der Umgebung der Pfennigparade und war damals die Absenkung der Bordsteine zur Überquerung von Straßen ein Erfolg, so war dort das nächste Ziel, die Zugänglichkeit von Geschäften, Arztpraxen, Freizeiteinrichtungen usw. zu erreichen.
Ich begann bald - so weit es meine Arztpraxis erlaubte - mitzuarbeiten. Man kann sich kaum vorstellen, welche Geduld, welche Hartnäckigkeit notwendig war, um die Probleme Behinderter Beamten verständlich zu machen. Nicht selten wurde kurz nachdem eine kompetente und zuverlässige Zusammenarbeit erreicht war, der zuständige Beamte ganz woanders hin versetzt. Dieter wurde Experte für alle Fragen der Barrierefreiheit im Bauwesen sowie im öffentlichen Verkehr: bei der Bahn, bei Bussen und Straßenbahnen. Langsam war die Problematik auch den einschlägigen Stellen der Verwaltung klar und damit die Zusammenarbeit leichter geworden. Schließlich kämpften wir nicht nur für Rollstuhlfahrer, sondern auch für die alten Menschen mit Gehbehinderungen und für Mütter mit Kinderwägen. Dieter war Mitarbeiter in allen Facharbeitskreisen in München, die sich mit Mobilität befassen, aber ebenso bei allen DIN-Ausschüssen, die sich im barrierefreien Bauen, mit Liften, mit Rettungsdiensten und Krankenhäusern sowie Normen für Rollstühle beschäftigen, um nur einen Teil seiner Tätigkeiten zu nennen.

Viele Menschen werden durch eine Behinderung mutlos und inaktiv. Dieter hingegen wurde durch seine Behinderung und die damit verbundenen Schwierigkeiten im täglichen Leben angespornt, sich mit der Beseitigung all dieser Hindernisse zu befassen. Aus einem gelernten Maler wurde ein Experte für eine barrierefreie Umwelt.
Am 30. März 2001 wurde ihm die Plakette "München leuchtet" verliehen.

Dieter - wir werden Dich nicht vergessen und sei gewiss: sehr oft werden wir bei Fachfragen ganz automatisch sagen "da müssen wir den Dieter fragen".

Grabrede für Dieter Richthammer von Lothar Marx

Einen langen Weg haben wir gemeinsam zurückgelegt, Dieter und ich, um den Gedanken eines barrierefreien Wohn- und Wohnumfelds zu transportieren und zu verbreiten.

Vor fast 30 Jahren haben wir angefangen, Maße für Bäder und deren Einrichtungen zu finden, damit auch behinderte Menschen, wie Dieter immer sagte, "zurechtkommen".
Gemeinsam sind wir den Weg weiter gegangen, als die Beratungsstelle "Bauen für Behinderte" der Bayerischen Architektenkammer 1984 gegründet wurde. So mancher Architekt und Fachplaner musste mühsam davon überzeugt werden, dass behinderte Menschen bei Planungen unbedingt berücksichtigt werden müssen. Planungsgrundlagen, die DIN 18025 gab es aus dem Jahr 1972 "Bauen für Rollstuhlfahrer" und 1974 "Bauen für Behinderte". Als sich 1987 der Normenausschuss DIN 18025 neu konstituierte, wurden Dieter und ich Mitglieder und konnten all unsere praktische Erfahrung einbringen. Dieter wurde für uns zum Maßstab.

Wenn er mit seiner bereits stark eingeschränkten Mobilität noch etwas benutzen oder bedienen konnte, waren die meisten Rollstuhlfahrer ebenfalls berücksichtigt. Durch diesen Gedanken, den Rollstuhlfahrer mit zusätzlichen Bewegungseinschränkungen im Oberkörper zum Planungsmaßstab zu machen, wurde der Normenausschuss schnell von Dieter überzeugt.
Im gleichen Jahr 1987 überzeugte er die Industrie davon, Autobusse zu bauen, die auch für behinderte Menschen benutzbar sind und für alle anderen bequemer zu erreichen waren. Die Umsetzung erfolgte umgehend. Schnell hatte er die Firmen Siemens, AEG und Krauss Maffei davon überzeugt, dass auch Straßenbahnen so konstruiert werden können, dass sie für alle benutzbar sind.

Im Jahr 1987 wurde die Beratungsstelle der Bayerischen Architektenkammer in Nürnberg ins Leben gerufen. Es war damals keine Selbstverständlichkeit, als Rollstuhlfahrer mit der Deutschen Bahn zu fahren. Dieter musste immer im Gepäckwagen mitreisen, da in den Waggons kein Platz für den Rollstuhlfahrer vorhanden war. Seine Gelassenheit und Ruhe über diesen Zustand habe ich immer wieder mit viel Bewunderung zur Kenntnis genommen. Aber Dieter hat auch die Bahn geschafft. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, dass ein Rollstuhlfahrer von der Deutschen Bahn befördert werden kann, war mehr als ein Drama. Nach Abschluss der Normungsarbeiten der DIN 18024 im Jahre 1996 wurden wir beide bereits 1997 in den Normenausschuss DIN 18030 berufen. Auch hier zeigte sich wieder, wie unendlich wertvoll Dieters Kenntnisse waren. Seine Umsichtigkeit, sein Verständnis besonders auch für andere behinderte Personen machten ihn immer wieder zu einem Gesprächspartner mit viel Kompetenz, dessen Argumenten man sich kaum widersetzen konnte. Er gehörte diesem Ausschuss bis heute an.
Wir werden ihn bei unserer weiteren Bearbeitung der DIN "Barrierefreies Bauen" sehr vermissen. Im Namen des Normenausschusses sage ich "Danke". Wir werden Dich, lieber Dieter, in Erinnerung behalten.

Grabrede für Dieter Richthammer von Dipl.-Ing. Brigitte Jupitz Mitglied des Vorstands der Bayerischen Architektenkammer

Sehr verehrte Frau Richthammer, sehr geehrte Angehörige, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schwer, in einem solchen Augenblick die richtigen Worte zu finden.

Wir alle, Familie, Freunde, Weggefährten und nicht zuletzt die Architektinnen und Architekten in Bayern müssen Abschied nehmen von Dieter Richthammer, der am 31. Oktober im Alter von 69 Jahren verstorben ist.
Untrennbar mit seinem Namen verbunden ist sein Einsatz für die Belange der behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger. Es ist sicher keine Übertreibung, wenn er als "Pionier für Barrierefreiheit" bezeichnet wird. Bereits Mitte der 70er Jahre hat Dieter Richthammer zusammen mit weiteren Mitstreitern im Club Behinderter und ihrer Freunde in München Einfluss auf Baumaßnahmen genommen, um behinderten Menschen das Wohnen und die Mobilität in ihrer Umgebung zu erleichtern.
So war er auch einer der Initiatoren der Beratungsstelle "Barrierefreies Bauen" der Bayerischen Architektenkammer und seit deren Gründung im Jahr 1984 hochkompetentes Mitglied des Beraterteams. Unermüdlich und uneigennützig hat er sich dabei insbesondere der sozialen Themen und der Frage der Mobilität angenommen. Nicht zuletzt seiner Fachkunde und seinem persönlichen Ansehen ist es zu verdanken, dass die Beratungsstelle heute einen wichtigen Bestandteil des sozialen Netzes im Freistaat Bayern darstellt. Auch bei der Einrichtung von Stützpunkten unserer Beratungsstelle in Nürnberg und Würzburg hat sich Dieter Richthammer große Verdienste erworben. Die Architektinnen und Architekten im Beratergremium haben seine Mitarbeit gerade deshalb als besonders wertvoll geschätzt, weil er aus der Sicht eines Betroffenen urteilte. Trotz seiner eigenen Einschränkung verlor er nie den Blick für die Belange Anderer und setzte sich rückhaltlos für sie ein. Auf Bundesebene hat Dieter Richthammer seit zwanzig Jahren im DIN Ausschuss für barrierefreies Bauen und in weiteren Normengremien mitgewirkt und die noch heute in diesem Bereich geltenden Regelungen maßgeblich beeinflusst. Darüber hinaus war er in einer Reihe von weiteren Einrichtungen tätig wie dem "Beratergremium Mobilität" bei der Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung oder der "Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation". So konnte er durch sein Engagement und seine Beharrlichkeit eine Verbesserung der Barrierefreiheit im öffentlichen Bereich - wie beispielsweise beim öffentlichen Personen-, Nah-, Regional- und Fernverkehr oder beim Zugang zu öffentlichen Gebäuden - erreichen.

Der plötzliche Tod von Dieter Richthammer reißt nicht nur in seiner Familie und in seinem Freundeskreis, sondern darüber hinaus beim Team der Beratungsstelle wie auch in der Bayerischen Architektenkammer insgesamt eine schmerzliche Lücke. Sie verliert einen unschätzbaren Ratgeber - ebenso wie die behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger einen Mitstreiter für ihre Belange verlieren.
Ein persisches Sprichwort sagt: "Der ist nicht wirklich tot, der einen guten Namen hinterlässt." Dies trifft in besonderer Weise auf Dieter Richthammer zu, denn sein Name wird auch in Zukunft einen guten Klang weit über die Bayerische Architektenkammer hinaus haben. In seinem unermüdlichen, selbstlosen Wirken wird er uns ein Vorbild bleiben.
Wir werden uns stets in großer Dankbarkeit an ihn erinnern.