In der Februarausgabe dieser Zeitung wurde über den Fall des schwerstbehinderten Mädchens Ashley berichtet, das ab dem Alter von sechs Jahren umfangreichen Eingriffen unterzogen wurde - Hormontherapie, Gebärmutterentfernung, Entfernung der Brüste - um ein Wachstum Ashleys zu unterbinden und für das Mädchen negative Auswirkungen einer einsetzenden Pubertät zu vermeiden. Der Fall wurde sowohl in den Vereinigten Staaten als auch hierzulande äußerst kontrovers diskutiert und angesichts der Schwere und Endgültigkeit der Eingriffe sowie der Bedeutung bei einer Übernahme dieser Vorgehensweise auf andere Fälle kann die Thematik niemanden kalt lassen - mag man zu der grundsätzlichen Berechtigung solcher Eingriffe stehen wie man will.

Mittlerweile hat das Kinderkrankenhaus in Seattle eingeräumt, mit seinem Vorgehen gegen das Gesetz verstoßen zu haben und dafür die volle Verantwortung übernommen. Abgesehen davon, dass im Interesse einer Vermeidung von Wiederholungen von entscheidender Bedeutung wäre, gegen welche Vorschriften nach der eigenen Einschätzung des Krankenhauses verstoßen worden ist, stellen diese Vorschriften aber augenscheinlich keinen wirksamen Schutz vor solchen Eingriffen dar. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass ab dem Jahre 2004 sich vollziehende Vorgänge erst im Herbst 2006 und dann auch nur mehr oder weniger durch Zufall öffentlich werden? Und wie kann letztendlich der Rat des Anwalts der Eltern Ashleys, also einer beteiligten Partei im Verfahren, mitentscheidend für eine derart einschneidende Vorgehensweise sein?

Um die Beachtung der gesetzlichen Anforderungen bei Fällen ähnlicher Tragweite zu gewährleisten, soll dem Ethik- Ausschuss in Zukunft jemand angehören, der sich um Behindertenrechte kümmert. Für Ashley ein schwacher Trost - die an ihr vollzogenen Eingriffe können selbst dann nicht rückgängig gemacht werden, wenn ein Gericht rechtskräftig zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die einzelnen Maßnahmen rechtswidrig waren. Und wem sollte ein eventuell zu leistender Schadenersatz in Geld ausbezahlt werden? Den Eltern, die diese Eingriffe initiiert und befürwortet haben?

Mit dem Eingeständnis des Gesetzesverstoßes durch das Kinderkrankenhaus in Seattle sollte der Fall Ashley daher beileibe nicht zu Ende sein.

Wolfgang Vogl