Wer bekommt derzeit das Merkzeichen B?
Jeder Schwerbehinderte weiß wahrscheinlich aus eigener Erfahrung, dass neben dem Grad der Behinderung auch die Zuerkennung gewisser Merkzeichen ausschlaggebend ist für die Inanspruchnahme von Vergünstigungen oder die steuerliche Beurteilung.
So wird das Merkzeichen B nach der auch im Internet nachzulesenden Formulierung der Versorgungsämter demjenigen zuerkannt, der zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist, insbesondere beim Ein- oder Aussteigen bzw. während der Fahrt, oder im Falle der Erforderlichkeit von Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung und damit die Zuerkennung des Merkmals B wird stets angenommen bei Querschnittsgelähmten, Ohnhändern, Blinden, erheblich Sehbehinderten, hochgradig Hörbehinderten, geistig Behinderten sowie unter gewissen Umständen bei Demenzkranken bei fortgeschrittener Erkrankung und bei Anfallskranken.

Wie sieht der Ausweis derzeit aus?
Im Schwerbehindertenausweis wird die Zuerkennung des Merkzeichens B optisch dergestalt realisiert, dass auf der Vorderseite links neben dem Merkzeichen der Zusatz „Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen.“ abgedruckt ist. Welche Probleme haben sich bislang durch dieses Merkzeichen B ergeben? Und eben dieser Zusatz gab in der Vergangenheit Anlass zu Schwierigkeiten:
Mobilitätsgeschulte Blinde, denen stets das Merkzeichen B zuerkannt wird, stoßen auf Probleme, falls sie allein reisen können und wollen; berufstätigen Behinderten wird der selbständige Gang in die Kantine verwehrt ebenso wie Gehörlosen der von einer Begleitung unabhängige Zutritt ins Schwimmbad. Was als vernünftige, dem Schutze von Behinderten zu dienen gedachte Formulierung gemeint war, erweist sich durch ihre mögliche Auslegung im Sinne einer Erforderlichkeit ständiger Begleitung somit als Bumerang für die Betroffenen.

Jetzt soll der Ausweis verändert werden. Wann tritt die Veränderung in Kraft?
Aus diesem Grund hat die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Karin Evers-Meyer, eine Gesetzesinitiative in die Wege geleitet, die zu einer Klarstellung führen sollte. Die angestrebte Änderung war ursprünglich Teil eines anderen Gesetzesentwurfs, im Interesse einer Beschleunigung wurde diese aber dann in die Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze mit aufgenommen, die am 19. Oktober vom Bundestag verabschiedet wurde. Nachdem der Bundesrat dann am 3. November beschlossen hat, keinen Antrag gemäß Artikel 77 Abs.2 des Grundgesetzes zu stellen, ist die diesbezügliche Gesetzesänderung zustande gekommen, und es ist davon auszugehen, dass die das Merkzeichen B betreffende Änderung zum 1.1.2007 in Kraft tritt.

Juristische Einzelheiten, bzw. was ändert sich im Ausweis?
Im Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze befassen sich sodann die Artikel 6 und 7 mit den hier relevanten Änderungen des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs und der Schwerbehindertenausweisverordnung. Dabei wird zum einen die Formulierung „die Notwendigkeit ständiger Begleitung“ durch „die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson“ ersetzt (§ 148 Abs.4 Satz 2 Nr.1, § 149 Abs.2 Satz 2 Nr.1, § 151 Abs.2 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs und § 3 Abs.2 der Schwerbehindertenausweisverordnung sowie das Muster 4) bzw. werden auf die Notwendigkeit ständiger Begleitung abstellende Regelungen durch solche ersetzt, die von der Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson sprechen (§145 Abs.2 Nr.1, § 146 Abs.2 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs), zum andern bleiben vor dem Inkrafttreten dieser Änderung ausgestellte Schwerbehindertenausweise gültig, können aber auf Antrag an die neue Formulierung angepasst werden.

Warum wird man in Zukunft durch das Merkzeichen B keine Nachteile mehr haben? Darüber hinaus stellt die neue Fassung des § 146 Abs.2 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs klar, dass die Feststellung der Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nicht bedeutet, dass die unbegleitete schwerbehinderte Person eine Gefahr für sich oder andere darstellt.
Dies stellt im Verhältnis zu der auf der Website von den Versorgungsämtern gewählten und auch oben verwendeten Formulierung zum Merkzeichen B ein Novum dar. Damit ist aber auch definitiv jeglichen Bestrebungen im Bereich der Personenbeförderung ein Riegel vorgeschoben, die bisherige Formulierung im Schwerbehindertenausweis zum Nachteil der behinderten Person auszulegen. Ebenso wenig ist danach Raum für eine Beweislastumkehr im Falle einer Schadens(mit)verursachung durch eine unbegleitete, behinderte Person oder für eine Verweigerung des Zutritts zu öffentlichen Einrichtungen in Nutzungsbedingungen für selbige unter Verweis auf eine potentielle Gefahr für sich oder andere. Gemäß Artikel 13 tritt das Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze am Tag nach der Verkündung in Kraft, was bislang aber noch nicht geschehen ist.

Wolfgang Vogl