Wohl kaum ein Rechtsgebiet der Rechtswissenschaften ist so wenig Recht im eigentlichen Sinne wie das Völkerrecht und kein Gebilde letztlich einem Staat so wenig ähnlich wie der so oft zitierte "Weltstaat" UN: eine Gewaltenteilung im traditionellen Sinn gibt es nicht.

Als Judikative existiert zwar der Internationale Gerichtshof in Den Haag. Dessen Rechtsprechung ist aber nur sehr beschränkt und erstreckt sich keinesfalls auf alle Rechtsgebiete. Statt eines Gesetzgebungsorgans gibt es lediglich die Vollversammlung der Vereinten Nationen, die aber keine Gesetze, sondern überwiegend nur als Argumentationshilfen dienende Resolutionen verabschiedet, und selbstverständlich hat die UNO keine Exekutivorgane, sondern muss sich der Hilfe der Mitgliedsstaaten bedienen, wie aktuell der Libanon-Einsatz eindrucksvoll belegt.

Im Bereich des Schutzes von Menschenrechten und damit assoziierter Belange haben die Vereinten Nationen (gegründet nach dem 2. Weltkrieg als Nachfolgeorganisation des erfolglosen, weil ohnmächtigen Völkerbundes) aber bereits früh erkannt, dass eine faktische und rechtliche Absicherung der weltweit zwischenzeitlich mehr als 600 Millionen zählenden Behinderten und von deren Belangen und Bedürfnissen von wesentlicher Bedeutung ist.

Obwohl bereits im ersten Jahrzehnt des Bestehens der Vereinten Nationen erste Aktivitäten entfaltet wurden und dies im Zeitraum vom Ende der fünfziger Jahre bis etwa 1970 noch verstärkt wurde , dauerte es jedoch bis 1971, dass diese Bestrebungen in die Erklärung der Rechte geistig Zurückgebliebener mündeten, gefolgt 1975 von der Erklärung der Rechte von Behinderten. Aus heutiger Sicht werden beide Erklärungen wegen des zu Grunde liegenden veralteten medizinischen Grundverständnisses aber als nur bedingt tauglich empfunden. Nachdem die Generalversammlung dann 1981 zum Jahr der Behinderten erklärt hatte und dann der Zeitraum von 1983 – 1992 als Jahrzehnt der Behinderten ausgerufen wurde, entfalteten Organe und Institutionen der UNO mannigfaltige Aktivitäten zum Schutz Behinderter, so beispielsweise durch die Verabschiedung der Prinzipien zum Schutz geistig Behinderter und zur Verbesserung des Gesundheitswesens in diesem Bereich 1991 durch die Generalversammlung.

Diesbezüglich ergangene Rechtshandlungen hatten aber zumeist keinen verbindlichen Charakter, waren also nur so genanntes soft law, das typischerweise im Völkerrecht häufig anzutreffen ist und primär als Argumentationshilfe dient. Bis zum Entschluss, die Rechtsstellung Behinderter in einem Vertragswerk für die einzelnen Staaten verbindlich abzusichern, mussten dann aber noch Jahre vergehen. Vor diesem Hintergrund verwundert es daher aber kaum, wenn es sich bei der hier besprochenen Konvention für Behinderte lediglich um einen Entwurf handelt, dessen Verabschiedung zudem, soweit ersichtlich, noch in den Sternen steht. Zunächst sollte der Klarheit halber aber der bisherige Verlauf der diesbezüglichen Verhandlungen chronologisch skizziert werden, um sich ein realistisches Bild von den Problemen und deren Lösung machen zu können.

Bedauerlicherweise ist nämlich eine Vielzahl verwirrender Informationen in Umlauf, die nicht unbedingt immer der Klarheit dient. Angefangen hat alles mit der Resolution 56/168 vom Dezember 2001, mit der die UN-Vollversammlung ein Ad-hoc- Komitee zur Ausarbeitung einer Konvention über die Rechtsstellung Behinderter einsetzte. Die Vereinten Nationen bzw. deren Organe waren sich nämlich bewusst, dass trotz der Geltung allgemeiner Menschenrechtsnormen für Behinderte und Behinderungen in concreto es vielerlei Hindernisse gibt, wenn diese Rechte ausgeübt werden sollten. Die Einsetzung des bereits erwähnten Ad-hoc-Komitees erfolgte durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 19. Dezember 2001, womit eine umfassende und ganzheitliche Konvention erarbeitet werden sollte. Seit diesem Zeitpunkt wurden mehrere Entwürfe erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgestellt, so ein Entwurf einer Arbeitsgruppe des Komitees vom Januar 2004, ein vom Vorsitzenden des Ad-hoc-Komitees überarbeiteter Entwurf vom 07.10.2005 sowie der Entwurf der Konvention vom 25.08.2006. Insgesamt kam das Ad-hoc-Komitee in acht Sitzungen von jeweils ca. zwei Wochen zusammen, die letzte davon vom 14. – 25. August.

Zum Abschluss der letzten Sitzung konnte man sich auf einen Konventionsentwurf einigen. Ob dieser Entwurf noch während der bis Dezember dauernden 61. Vollversammlung der Vereinten Nationen von der Generalversammlung verabschiedet wird, ist nicht absehbar, auf der 154 Punkte umfassenden, am 13. September beschlossenen Tagesordnung der Generalversammlung befindet er sich jedenfalls nicht und eine außerplanmäßige Verabschiedung konnte bis dato nicht festgestellt werden. Dennoch lohnt es sich schon jetzt, einen etwas aufmerksameren Blick auf den Konventionsentwurf zu richten.

Zum einen ist nämlich davon auszugehen, dass ihn die Generalversammlung in dieser Form früher oder später verabschieden wird und er dann gemäß den Bestimmungen der Konvention dreißig Tage nach der zwanzigsten Ratifizierung in Kraft tritt. Zum anderen und weit wichtiger noch entfalten die in der Konvention enthaltenen Gedanken, Grundsätze und Prinzipien eine Strahlkraft, die ganz unabhängig von einem Inkrafttreten der Konvention wirkt und positive Impulse für Behinderte geben wird. In der nächsten Ausgabe wird daher der Inhalt des Konventionsentwurf ausführlich dargestellt werden.

Wolfgang Vogl