Ich hatte lange Zeit mit meinen Eltern eine gemeinsame Wohnung. Beide Elternteile, vor allem meine Mutter, haben mir bei allen Handgriffen, die ich benötige, geholfen. Das ging gut - und manchmal nicht so gut. Jeder von uns hatte zwar sein eigenes Zimmer. Aber wenn ich Gäste einladen oder gar einen Liebhaber empfangen wollte (??), war diese Art des Zusammenlebens nicht sehr geeignet! Was also tun? Ich brauchte ja beides, eine eigene Wohnung und Pflegehilfen. Nach langen Planungen und Versuchen habe ich dann die Konstellation gefunden, die ich bis heute für ideal halte, jedenfalls für mich und meine speziellen Bedürfnisse: Eine große Wohnung, die auch ein kleines Zimmer für eine Assistentin ausweist, denn ich brauche auch nachts Hilfestellung. Daneben habe ich einen Raum, in dem mein Schreibtisch und mein Computer stehen. Im vorderen Bereich befindet sich außerdem ein Esstisch, der notfalls bis auf 14 Gäste vergrößert werden kann. Ein weiteres Zimmer ist mein Wohn-Schlafzimmer. Denn ich mag nicht abgeschlossene Schlafzimmer, die ich nur nachts bewohne. So tummeln sich in diesem Wohn-Schlaf-Raum ebenfalls Gäste (die besonders vertrauten!) und dieses Zimmer ist auch das einzige, das ich mit einer Tür abschließen kann. So habe ich die Intimität, die ich unbedingt haben muss. Denn 24 Stunden einen Menschen um sich zu haben, ist bei meiner Behinderung zwar notwendig, kann aber auch bedrängend und bedrückend wirken – auf mich jedenfalls.
Übrigens helfen mir derzeit sechs Assistentinnen, abwechselnd, nach einem Stundenplan, der Anfang eines Monats erstellt wird. Für sie gibt es – wie gesagt – dieses Zimmer, außerdem eine Küche, ein Bad mit barrierefreier Einrichtung und ein Gästeklo – unbedingt notwendig! Mein Wintergarten (da pflege ich meine Riesen-Geranien), ein Hochbeet im Innenhof und eine Dachterrasse, die alle Bewohner unseres Hauses mit Begeisterung genießen, ergänzen mein unmittelbares Lebensumfeld. Und zur Vervollständigung sei noch gesagt: Die Wogeno, unsere Wohnbaugenossenschaft, hat mit unserem Wohnhaus (30 Wohnungen in der Johann-Fichte-Straße 12) in Zusammenarbeit mit uns, dem Club Behinderter und ihrer Freunde, einer klugen Idee Raum gegeben: Außer in fünf barrierefreien Wohnungen für Behinderte leben hier ausschließlich „Normalbürger“. Wir haben viele Kinder im Haus und pflegen einen guten Zusammenhalt unter den Hausbewohnern. Das macht unser Leben ausgesprochen lebenswert. Und ich kann gut nachvollziehen, dass uns viele Menschen darum beneiden, dass wir in so einer wohnlichen Umgebung unter solch geradezu idealen Verhältnissen in München leben können.
Ingrid Leitner