Der Pommersche Kunstschrank im Maximilianmuseum in Augsburg (28. März bis 29. Juni 2014)
Vor Jahren kam ich einmal auf einer Tagung mit einem Professor aus Uppsala ins Gespräch, der irgendwann von einem sagenhaften Augsburger Kunstschrank zu schwärmen begann, der sich in Uppsala befindet.
Nach Angaben des Professors war dieser Kunstschrank den Schweden bei ihrem Feldzug im Dreißigjährigen Krieg von der Stadt Augsburg ausgehändigt worden, um eine Zerstörung der Stadt zu verhindern.


Als jetzt im Augsburger Maximilianmuseum eine Ausstellung über den Pommerschen Kunstschrank angekündigt wurde, fiel mir die Geschichte wieder ein und meine Neugier war geweckt. Recherchen im Internet ergaben zwar, dass sich in Uppsala tatsächlich ein Augsburger Kunstschrank befindet und dass dieser von der Stadt Augsburg auch 1632 den schwedischen Truppen unter König Gustav Adolf geschenkt wurde.
Ob die mir kolportierte Geschichte aber ebenfalls der Wahrheit entspricht, konnte ich ohne weitere Recherche nicht herausfinden. Grund genug also, einen Osterausflug ins Maximilianmuseum nach Augsburg zu unternehmen. Dorthin kann man selbstverständlich auch mit dem Auto fahren, entspannender ist es jedoch, per Nahverkehrszug anzureisen. Die Züge verkehren tagsüber etwa im Halbstundentakt, benötigen lediglich eine Dreiviertelstunde und spucken einen am Rande des Zentrums von Augsburg aus. Rollstuhlfahrer können dies dank des Mobilitätsservices der Bahn ebenso und Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dazugehöriger Wertmarke fahren mit den Nahverkehrszügen sogar unentgeltlich.

Nach einem etwa zwanzigminütigen Spaziergang vom Bahnhof (der allerdings durch Bauarbeiten am Bahnhofs- und am Königsplatz erschwert wird) kommt man zum zentral in der Altstadt gelegenen Maximilianmuseum. Dieses Gebäude ist zwar kein Neubau, aber auch für Rollstuhlfahrer ohne weiteres zu erfahren: Über Rampen kommt man in die Ausstellungsräume und ein Aufzug im Gebäude führt problemlos in das zweite Obergeschoss. Der einzige Wermutstropfen ist die Garderobe, an der auch die kostenlosen und sehr informativen Audioguides erhältlich sind. Diese ist nämlich in einem Raum, der nur über eine Stufe zugänglich und der zudem noch durch eine eigene Tür abgetrennt ist. Am besten gibt man daher bereits an der Museumskasse Bescheid, wenn man einen Audioguide wünscht oder Garderobe abgeben möchte.
Die dortige Ausstellung gliedert sich in zwei Teile: Während sich der erste Teil mit den Schöpfern des Pommerschen Kunstschranks befasst, zeigt der zweite dessen Inhalt und gibt einen Einblick in die Meisterschaft des Augsburger Kunsthandwerks. Wenn man den zu Beginn der Ausstellung zu sehenden Film mit Aufnahmen des Pommerschen Kunstschrankes ansieht – das Gehäuse ist ja im Zweiten Weltkrieg verbrannt und nur der getrennt eingelagerte Inhalt ist erhalten – so denkt man zwangsläufig an eine Vielzahl von Schöpfern und natürlich bedurfte es einer Reihe von Künstlern und Kunsthandwerkern, um den Schrank, die darauf befindlichen Verzierungen und die Hunderte im Schrank befindlichen Objekte herzustellen.

Zentral im Falle des Pommerschen Kunstschrankes waren jedoch zwei Personen: Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin und der Augsburger Philipp Hainhofer. Ersterer wollte, wie es unter Regenten im 17. Jahrhundert üblich war, eine Wunderkammer an seinem Hof einrichten und dadurch Ruhm und Ansehen seiner Herrschaft mehren. Aus diesem Grund beauftragte er die Anfertigung eines Wunderschrankes bei Philipp Hainhofer. Dieser war nämlich Kunsthändler, was man sich aber in einem umfassenderen Sinn vorstellen muss. Er konzipierte nämlich Kunstobjekte, erstellte sie mit einem Team von Kunsthandwerkern – was er üblicherweise vorfinanzierte – und verkaufte sie dann. Und so ist von den vier von Philipp Hainhofer erstellten Kunstschränken lediglich der Pommersche eine Auftragsarbeit.

Dieser wurde damals übrigens für 12.000 Gulden verkauft, was in etwa dem vierfachen Wert des Wohnhauses von Philipp Hainhofer entsprach! Was war aber in einem solchen Kunstschrank enthalten? Diese Frage beantwortet der zweite Teil der Ausstellung, und wenn man sich die Vitrinen ansieht, drängt sich zuerst die Frage auf, wie das alles Platz gehabt hat: Pflegeutensilien, Apothekenutensilien, Messgeräte, Essgeschirr, Spiele, und, und …Wer diesen Schrank geschaffen hat, hat nicht nur erlesene Kämme, kostbare Spielbretter oder ausgefallenes Besteck hergestellt, sondern auch durch eine ausgeklügelte Aufbewahrung sichergestellt, dass dies alles in einem Schrank Platz findet. Dieser Teil der Ausstellung wird sodann durch kleinere Kunstschränke aus derselben Zeit sowie weitere Objekte des Augsburger Kunsthandwerks vervollständigt. Zu guter Letzt ließ sich beim Besuch auch das Rätsel vom sagenhaften Kunstschrank in Uppsala lösen: Der deutsche Kaiser Ferdinand II. erließ im Jahre 1629 ein Restitutionsedikt, um die Protestanten in Deutschland zurückzudrängen, und am protestantischen Augsburg sollte ein Exempel statuiert werden. Dies war letztlich auch mitursächlich für einen Kriegseintritt der protestantischen Schweden unter Gustav Adolf.

Als dieser mit seinen Truppen vor Augsburg stand, vermittelte der in der Ausstellung porträtierte Philipp Hainhofer zwischen dem protestantischen Bürgertum und dem katholischen Ratlungsgeschick, dass die Stadt von den Schweden zwar besetzt, aber nicht zerstört wurde. Im Rahmen dieser Verhandlungen wurde auch vereinbart, dass der Rat der Stadt Philipp Hainhofer einen Kunstschrank abkauft und dieser Gustav Adolf als Ehrengeschenk übergeben wird. Und so landete einer der vier von Philipp Hainhofer konzipierten Kunstschränke in Uppsala – wo er noch heute bewundert werden kann.

Wolfgang Vogl