Väterchen Frost (tupft sich mit dem Taschentuch die Stirn)

Ich frage mich, ob ihr das kennt:
Hektik & Stress, & noch nicht mal Advent,
eine Feier die andere jagt.
Überall wird man „kommst du?“ gefragt.
Im Sommer das Grillen, die Urlaubsreisen,
im Herbst dann Törggelen & Gänse verspeisen,
Neuer Wein & Zwiebelkuchen,
das sind Sachen, die muss man versuchen.
Im Einzelhandel in den Regalen
drängen sich schon in großen Zahlen
Lebkuchen, Nikoläuse & Stollen.
& was wir wohl Weihnachten essen sollen?
Truthahn, Ente, Gans oder Wild,
beim Fondue wird auch gerne gechillt.
& kaum sind die Feiertage vorbei,
beginnt die Silvesterfeierei.
Prost Neujahr, dann Fasching, dann Starkbierzeit,
der Osterhase steht dann bereit,
Frühlingsfeste, Sommergrillen,
man kommt nicht aus beim besten Willen,
Hektik & Stress & bald wieder Advent

ich denke schon, dass ihr das kennt.

& ich hoffe, ihr kennt mich auch,
denn zu euch kommt nach altem Brauch
alljährlich im Herbst euer Väterchen Frost
& sagt „Nasdorowje!“ - & das heißt Prost.
Ich will euch nicht grade die Leviten lesen,
nur sagen, was ist & was gewesen.
In die Zukunft kann ich freilich nicht schauen.
Da müssen wir guter Hoffnung vertrauen,
dass wir ein weiteres Jahr hinter uns bringen
& unsere Pläne mögen gelingen.

Nicht dass wir vor lauter Organisiererei
vergessen, worauf’s ankommt, was wichtig sei.
Wie in dem Liedchen so schön es steht,
das folgendermaßen zu singen geht.

(singt auf Hernando‘s Hideaway)
>„Advent; Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier,

dann steht das Christkind vor der Tür, olé!
& wenn das fünfte Lichtlein brennt:
Dann hast du Weihnachten verpennt.“

Die größten Feiern, eine Woche erst her,
die waren in Berlin, mehr geht fast nicht mehr.
Gäste in Scharen, Stimmung ganz toll.
Alle fanden es wundervoll.
Es war ja der Anlass wirklich ideal:
25 Jahre Mauerfall.
Wer das nicht feiert, ist selber schuld.
Es brauchte jedoch ein bisschen Geduld,
die selbe Leier auf jedem Kanal,
das wird einem doch zu viel manchmal.
Ich muss sagen, Hut ab, das Fest war schön,
noch schöner war, ich muss es gestehn,
dass seinerzeit die Sache friedlich verlief,
denn Aufstände gehen ja manchmal schief.
Dann ist Krieg & Gewalt, egal ob Advent

oder nicht: Was man leider zu gut nur kennt.

Sag ich Isis, sag ich Syrien, sag ich Ukraine,
es ist euch schon klar, was ich damit meine:
Oder Flüchtlinge. Oder Ebola
(das ist keine Problem nur von Afrika).
Der nahe Osten ist voller Gewalt,
in Mexiko macht man Studenten kalt,
die protestierten, die Polizei ist dabei
mit den Drogenbossen in Kumpanei
was liegt schon daran,
wenn man nur gut verdienen kann?
So machen die Spitzen der Politik
nicht nur in Mexiko solche Spielchen mit.
In Luxemburg können Konzerne Steuern sparen,
der Staatschef dort war schon seit Jahren
in der EU ein hohes Tier
& ist jetzt der Boss gar, was sagt man hier?
& wenn ein Türchen dann aufgeht in unserm Advents-

kalender, was dahinter ist: ach, man kennt’s.

Mein Landsmann aus Russland, der Gorbatschow,
der Nobelpreisträger, der meinte ganz schroff,
der Westen hat versprochen & nicht gehalten.
Man muss ihm vielleicht Recht geben, dem Alten,
Aber Putins Politik deswegen zu billigen,
in Völkerrechtsbrüche einzuwilligen,
kann in dem Fall auch nicht die Lösung sein.
Mir fällt dabei 1914 ein.
Es gab Kriegsvorbereitungen wie noch nie,
es gab jede Menge Diplomatie,
jeder fühlte sich im Recht & keiner gab nach,
bis am Schluss dann schließlich der Krieg „ausbrach“.
Kriege brechen nicht aus, die werden gemacht.
& nur Idioten lieben das Getöse der Schlacht.
Machtinteressen, Fanatismus & Ideologien,
wie lang nehmt ihr solche Sachen noch hin,
anstatt dass ihr nachdenkt & etwas erkennt?

Dann hättet ihr wirklich mal einen Advent.

Zum Glück kann ich aber was Gutes noch sagen
& muss mich nicht beschränken aufs Klagen.
Es gibt nämlich unter den ganzen Feiern
eine ganz spezielle, in München in Bayern.
Ihr könnt euch denken, worauf ich jetzt treff:
Das Jubiläum vom cbf.

Vor vierzig Jahren haben ein paar Leute,
tatkräftige waren es & gescheite,
es waren auch Behinderte dabei,
gesagt, dass das nicht mehr zu ertragen sei:
Barrieren & Schwellen allerorten,
Beschwichtigungen mit bloßen Worten.
Damals war eine Zeit, wo allüberall
Initiativen entstanden, die auf jeden Fall
sich nicht bevormunden lassen wollten,
wie sie es nach Meinung mancher Leute sollten,
sondern selbst & zusammen Gleiche mit Gleichen,
Behinderte & nicht Behinderte, Verbesserung erreichen.
Aber wie, aber was? Das hat man gesehn
am Beispiel des cbf München ziemlich schön:
Erich Kästner schrieb einst, „es gibt nichts Gutes“
(womit er Recht hat), „außer man tut es.“
& so wurde der cbf gegründet,
zu dessen Geschichte & Erfolgen ihr vieles findet,
zum Beispiel in eurer Clubpost, ob auf Papier
oder als Blog – ihr habt sie hier.
Ich hüte mich, Namen & Taten zu nennen,
die Menschen, die Taten, die solltet ihr kennen,
habt ihr was vergessen, schaut nicht so schief,
dann schaut einfach mal nach in euerm Archiv.
Ein Name für erfolgreiche Behindertenpolitik
ist cbf München, das ist ein Glück.
& wenn man den in diesem Zusammenhang nennt,

ist es für viele grad so wie Advent.

Advent heißt Ankunft, also noch viel zu tun,
so werdet ihr sicher keinesfalls ruhn,
werdet fortfahren in euerer Tätigkeit,
euch immer einsetzen, & die Arbeit
gern machen – der Erfolg ist der Lohn
viele Menschen haben etwas davon,

nicht nur Behinderte. Auch Müttern mit Kinderwägen
sind Straßenabsenkungen ein Segen.
Ja, ihr habt wie die Bürger von drüben
auf euere Weise Geschichte geschrieben.
Die Mauer brachtet ihr zwar nicht zu Fall,
doch viele Barrieren, & überall,
wo heute noch Barrieren stehn,
werden wir euch dagegen kämpfen sehn.
Ihr werdet es tun von Advent zu Advent,

das ist es, wie euch liebt & kennt

euer euch verbundenes Väterchen Frost,
& sagt, Tschüss, & Adieu, Nasdorowje, d.h. Prost,
& Servus & bleibts gsund bitte schön,
damit wir uns nächstes Jahr hier wiedersehn.

15.11.2014
Jürgen Walla