Wer kennt das nicht: als behinderter Mensch hat man beim Besuch vieler kultureller Veranstaltungen, entschuldigen Sie das Wort, die Arschkarte gezogen. Rollstuhlplätze sind oft am Rand des Parketts und fördern in erster Linie Haltungsschäden, Induktionsanlagen – soweit vorhanden – eignen sich nicht für alle Hörgeschädigte und helfen tauben Menschen ohnehin nicht und Gehbehinderte oder Blinde haben mit anderen, nicht weniger gravierenden Schwierigkeiten zu kämpfen.

Umso erfreulicher, dass die Münchner Kammerspiele anlässlich eines Stücks mit einer gehörlosen Tänzerin und Schauspielerin („Luegen“ am 21. und 27. April) den April zum barrierefreien Monat ausgerufen haben. Ausweislich der auf der Homepage der Kammerspiele zu findenden Mitteilung werden im April „zahlreiche … Aufführungen barrierefrei angeboten.“ So werden Vorstellungen mit zusätzlichen Rollstuhlplätzen offeriert (mit guter Sicht; „Ekzem Homo“ am 3. April, „Hamlet“ am 16. April, „Der Kaufmann von Venedig“ am 21. April und „La Sonnambula“ am 22. April). Bei anderen Stücken gibt es deutsche Übertitel („América“ am 6. April und „Der Kirschgarten“ am 29. April), eine Audiodeskription für Blinde und Sehbehinderte („Point of no return“ am 9. April und „Mittelreich“ am 23. April) oder es wird in Gebärdensprache übersetzt („No-Theater“ am 12. April, das Gespräch zwischen Kasper König und Okwui Enwezor am 26. April und „Luegen“ am 21. und 27. April). Unwillkürlich drängt sich mir aber der Gedanke auf, dass diese Ankündigung auch das Eingeständnis ist, ansonsten keine barrierefreie Aufführungen anzubieten und ich frage mich nach dem Grund, weshalb ein Teil potenzieller Besucher allein aufgrund seiner Behinderung der Besuch einer Vorstellung unmöglich gemacht oder zumindest erschwert wird. Auch scheint mir das so generös mitgeteilte Angebot barrierefreier Aufführungen im April äußerst knapp bemessen, handelt es sich doch lediglich um zwölf Aufführungen bei über achtzig Veranstaltungen der Kammerspiele im Monat April. Zudem werden nur zwei Aufführungen mit deutschen Übertiteln gezeigt, wohingegen seit der Intendanz Matthias Lilienthals fast alle neue Aufführungen mit englischen Übertiteln zu sehen sind. Für Gehörlose sollten aber in allen Aufführungen wesentliche Textinhalte auch schriftlich in deutscher Sprache zu lesen sein. Könnte nicht – wie in vielen europäischen Opernhäusern üblich – auch in den Kammerspielen neben den englischen ebenso Übertitel in der Landessprache angeboten werden? Sollten Audiodeskriptionen oder Gebärdensprachübersetzungen nicht standardmäßig Bestandteil sein? Wir würden uns wünschen, Menschen mit Behinderungen könnten die für sie einen Theaterbesuch ermöglichenden / erleichternden Angebote ganzjährig und nicht nur in einem eigens als barrierefrei ausgerufenen Monat in Anspruch nehmen.

Wie dem auch sei: Wir begrüßen die Initiative der Kammerspiele und vielleicht ist sie ja nur der Auftakt einer verheißungsvollen Zukunft! Nutzen Sie deshalb die Angebote des barrierefreien Aprils in den Kammerspielen und berichten Sie uns, wie Sie damit zurechtgekommen sind.

Wolfgang Vogl