Beim Thema Nationalsozialismus ist bei vielen mittlerweile ein gewisses Sättigungsgefühl eingetreten. So denken viele, in den vergangenen Jahrzehnten sei bereits genügend darüber diskutiert und jeder auch noch so fernliegende Aspekt erörtert worden. Schüler befassen sich im Laufe ihrer Schulkarriere gleich mehrmals mit diesem Zeitraum, Schulklassen werden durch Konzentrationslager geführt und andauernde Erinnerungsarbeit gehöre gewissermaßen ohnehin zum Pflichtprogramm. Dies reiche irgendwann aus, schließlich müsse man nicht ewig in Sack und Asche gehen.

 

Ist das so?

Dass immer noch erhebliche weiße Flecken bestehen, es immer noch großen Diskussionsbedarf gibt, zeigen uns aber die regelmäßig aufbrandenden Debatten rund um das Thema, so, als der US-amerikanische Autor Daniel Goldhagen sein Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ veröffentlichte oder als im März 2013 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Mehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ lief. Diese Vergangenheit war so schrecklich, dass sie noch nicht vergangen ist, ja noch nicht vergangen sein kann und wir tun gut daran, sie nicht einfach ad acta zu legen, wie eine verjährte Schuld. Ein Nischendasein fristet dabei das Thema Euthanasie, also die systematische Ermordung behinderter Menschen und Psychiatriepatienten. Jeder halbwegs Informierte wird zwar wissen, dass die Nationalsozialisten unter dem unsäglichen Vorwand der „Rassehygiene“ und des „lebensunwerten Lebens“ tausende Menschen ermordeten, was genau passiert ist und an welchen Orten dies geschah, bleibt aber oft im Ungefähren. So verwundert es kaum, dass man mit Kloster Irsee eher die prachtvolle barocke Klosterkirche in Verbindung bringt oder eine der vielen Veranstaltungen, die in der ehemaligen Klosteranlage ausgerichtet werden, wie z.B. die Klausurtagungen der SPD - nicht aber, dass in der damaligen „Irrenanstalt“ während des Nationalsozialismus mehr als 2.000 Patienten ermordet wurden.

Vor diesem Hintergrund leistete die Veranstaltungsreihe „Behindert. Besonders. Anders.“ des Behindertenbeirats München im Jahr 2013 einen wichtigen Beitrag, die Erinnerung an dieses düstere Kapitel wach zu halten (so durch Aufstellung des temporären Denkmals der grauen Busse in der Innenstadt, durch das viele Passanten nach eigener Anschauung erst auf die Thematik gestoßen wurden) und auch weniger bekannte Facetten zu beleuchten. Anlässlich des Gedenkens der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 zeigt das Italienische Kulturinstitut nun vom 28. Januar bis 13. Februar eine Fotoausstellung über die Auswirkungen des Euthanasie-Programms im Nationalsozialismus in Italien. Dies ist eine einmalige Gelegenheit, sich erneut mit diesem Thema auseinanderzusetzen und auch einen eher unbekannten Aspekt kennenzulernen, nämlich die nationalsozialistische Euthanasie im verbündeten/besetzten Ausland.

Die Ausstellung hat montags, dienstags und donnerstags von 10 - 13 und 15 - 17 Uhr,
mittwochs von 10 - 13 und 15 – 19 Uhr sowie freitags von 10 – 13.30 Uhr geöffnet.

Wolfgang Vogl