Florine Wer? Kaum jemand konnte mit der Ausstellungsankündigung zunächst etwas anfangen. Stettheimer deutet zwar auf eine deutschstämmige Malerin hin, aber Florine ist nicht so eindeutig zuzuordnen und so hat manch einer deshalb wohl vermutet, einer zeitgenössischen und unbekannten Künstlerin entgegenzusehen.

Wikipedia belehrt eines Besseren. Florine Stettheimer wurde 1871 in den Vereinigten Staaten als Tochter von aus wohlhabenden deutsch-jüdischen Bankiersfamilien stammenden Eltern geboren. Nachdem ihr Vater die Familie verlassen hatte, übersiedelte die Mutter mit ihren minderjährigen Kindern nach Deutschland und Florine besuchte in der Folgezeit Schulen in Stuttgart und Berlin und absolvierte ein Kunststudium in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und der Schweiz.


Erst mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte sie nach New York zurück und bewohnte mit ihrer Mutter und den beiden Schwestern Ettie und Carrie eine gemeinsame Wohnung dort. Die finanziellen Verhältnisse ihrer Mutter erlaubten ihr nicht nur zeitlebens einen mondänen und luxuriösen Lebensstil, sondern machten sie auch vom üblichen Kunstbetrieb unabhängig, da sie zeitlebens nicht darauf angewiesen war, ihre Bilder zu verkaufen, um damit Geld zu verdienen. So fand zu ihren Lebzeiten lediglich eine einzige Ausstellung ihrer Werke statt und selbst nach ihrem Tod kamen die bei ihr befindlichen Werke nicht in den Handel. Ihre Schwester bestimmte stattdessen, welches Museum welche Werke bekommt. Dies erklärt, weshalb bis heute Werke von Florine Stettheimer weder auf Auktionen unter den Hammer kommen noch sonst im Handel befindlich sind. Dadurch bedingt, liest man aber auch den Namen nie in den Zeitungen und hat kaum je ein Bild von ihr gesehen – ihre Werke befinden sich überwiegend in nordamerikanischen Museen.

Florine Stettheimer musste in künstlerischer Hinsicht eben keinerlei Kompromisse machen, um sich über Wasser zu halten, sondern konnte und brauchte nur das zu tun, worauf sie Lust hatte. Herausgekommen ist dabei ein bunter und faszinierender Kosmos an Wimmelbildern und Familienporträts, der nicht nur in der europäischen und amerikanischen Kunst seinesgleichen sucht, sondern auch eine Zeitepoche genau abbildet. So wurden mit dem Bild Bendel’s Spring Sale (Bendels Frühjahrsschlussverkauf) im Konsumrausch verfallene New Yorkerinnen dargestellt oder im Bild Ashbury Park South ein belebter Strand. Andere Bilder zeigen einen Schönheitswettbewerb oder den Aufenthalt der Familie auf einem Landsitz im Kreis von Freunden. Und wenn man die Bilder genau betrachtet, wird man die Malerin häufig selbst darauf finden. Auf einigen Bildern komplettiert sie ihre Erzählung damit, auf anderen kommentiert und hinterfragt sie das Geschehen.

Viele Besucher, so wurde im Rahmen einer Führung berichtet, haben sich an der Unabhängigkeit und dem Luxus gestoßen, die noch dazu von einer Frau offen gelebt und genossen wurden. Doch was genau soll daran falsch gewesen sein?

Wie man dazu auch stehen mag, eines ist sicher: die Bilder der Florine Stettheimer sind eine echte Neuentdeckung.

Wenn Sie nicht bereits in der Ausstellung waren, nutzen Sie die verbleibende Zeit, die Bilder sind noch bis 4. Januar 2015 im Kunstbau zu sehen.

Wolfgang Vogl