„Gesichter sind wie Straßenkarten, auf denen man das Leben der Person ablesen kann. Manche haben Sorgenfalten, manche Lachfalten. […] Für mich ist der Kopf der interessanteste Teil des Körpers.“

Das hat der US-amerikanische Maler Chuck Close gesagt, und in der Galerie Thomas Modern in der Türkenstraße kann man sehen, wie er Köpfe darstellt. Ausgestellt sind große Formate, die fotorealistische Köpfe von Bekannten des Künstlers zeigen, oft selbst Künstler, wie Roy Lichtenstein, Alex Katz oder der Komponist Philip Glass, und immer wieder Chuck Close selbst. Close heißt auf Englisch „nah“, und hier ist nomen tatsächlich omen: Es sind sehr genaue Nahaufnahmen, die auf der Basis von selbstgeschossenen Polaroidfotos mit einem Gitternetz überlegt werden, so wie es die alten Meister taten, wenn sie einen Entwurf in ein großes Fresko umwandeln wollten. In dieses Gitterraster wird das Motiv vergrößert übertragen. Aber was heißt „übertragen“?

Mal arbeitet der Künstler mit Fingerabdrücken, mal mit Linol- oder Holzschnitten, auch in der japanischen Ukiyo-e-Technik, oder mit Siebdrucken (bis zu 246 Farben, so viel bringt keine Palette zuwege), und manchmal wird Papiermasse mosaikartig aufgetragen, was einen gepixelten Eindruck ergibt. In anderen Fällen werden die kleinen Quadrate oder Rauten mit Pop- oder Paisleymuster ausgemalt; aus der Nähe ergibt sich ein völlig abstraktes Bild, aus der Entfernung frappant „realistische“, ja fast naturalistische Wirkungen. Es versteht sich von selbst, dass man solche Arbeiten nicht allein zuwege bringt. Der Künstler als Entwerfer, Fachleute, die den Entwurf auf Druckmedien übertragen, und Drucker, die sie, den Vorstellungen des Künstlers entsprechend, sachkundig aufs Papier bringen, arbeiten im Team zusammen. (In dieser Ausstellung sind ausschließlich druckgraphische Werke von Chuck Close zu sehen, 30 Arbeiten aus den Jahren 1978 bis 2012.) Teamwork ist schon deshalb unerlässlich, weil der Maler seit 1988 halbseitig gelähmt ist und seine Bildideen mithilfe von Schienen, an denen die Pinsel befestigt sind, festhält. Sie in Siebdrucke usw. umzusetzen, wäre ihm gar nicht möglich.

Die faszinierende Ausstellung ist bis zum 16. Februar, Montag bis Samstag von 10 bis 18 Uhr, in der Galerie Thomas Modern, Türkenstraße 16 (gegenüber der Pinakothek der Moderne) zu sehen. Die Galerie verfügt über einen Aufzug, man muss allerdings vorher telefonisch Bescheid sagen (089 29 00 08 60).

Jürgen Walla