Können Sie sich an den schönen neuen Begriff der Inklusion erinnern, liebe Leser? Inklusion – jemanden mit einschließen, einbeziehen.

Die Vereinten Nationen hatten beschlossen, dass auch behinderte Kinder in normale Schulen, das heißt zusammen mit nichtbehinderten Kindern in die allgemeine Schule ihres Stadtviertels gehen können sollen. Jede Familie sollte frei wählen können - Sonderschule oder Regelschule. Klar war doch wohl auch, dass man hierfür zusätzliche Unterstützung, also zusätzliche Mittel brauchen würde. Alle fünf Parteien des bayerischen Landtags haben zugestimmt, den UN-Beschluss auch in Bayern umzusetzen. Soweit die glorreiche Theorie.

Nun zur schäbigen Praxis. Zwei hörbehinderte Mädchen sind in der Regelschule aufgenommen worden. Damit sie dem Unterricht folgen können, brauchen sie einen Gebärdendolmetscher. Nun kommt’s: Den Gebärdendolmetscher will keiner bezahlen – der Bezirk nicht und das Sozialministerium nicht. Keiner will zuständig sein. Einer schiebt es auf den anderen. Das vorläufige Ende der Geschichte – die Eltern sollen den Gebärdendolmetscher selber bezahlen. Er kostet ca. fünfeinhalbtausend Euro im Monat. Die Eltern können sich das nicht leisten. Die Gebärdendolmetscherin, die schon für diese Aufgabe vorgesehen war, versucht nun auszuhelfen – ehrenamtlich. Das geht aber natürlich nur gelegentlich.

In Nordrhein-Westfalen gehen die Uhren anders als im armen Bayern. Da steht ein Gebärdendolmetscher kostenlos zur Verfügung. Sollen die Eltern mit ihren Kindern deshalb nach Nordrhein-Westfalen umziehen? Würde den armen Bayern sparen helfen!

Ingrid Leitner