Ich war kürzlich im Bayerischen Wald und da entspann sich eine große Diskussion zum Thema „Artgerechte Tierhaltung“ und „Was ist Tierschutz?“ Denn jetzt, im Mai/Juni, werden viele Rehkitze geboren. Sie liegen oft alleine in der Wiese, wenn die Mutter, aufgeschreckt durch den Lärm einer Mähmaschine, davongelaufen ist. Vor Schreck ducken sich die Jungtiere tief ins Gras, sodass der Landwirt sie gelegentlich übersieht und seine Mähmaschine das Rehkitz verletzt oder tötet.Die Landwirtschaftsministerin beschäftigt sich aus diesem aktuellen Anlass ebenfalls mit dem Problem und man ist dabei, ein Warnsystem zu erfinden, das dem mähenden Landwirt rechtzeitig signalisiert, wenn sich ein Tier im Gras versteckt.

In meinem Fall jedenfalls hatte der arme Herr Frankl (es handelt sich nämlich um ein Vorkommnis auf dem Franklhof, der Ferienidylle, die eine barrierefreie Wohnung mit elektrischem Pflegebett anbietet) mit seiner Mähmaschine das kleine Reh verletzt. Es war eine schlimme Erfahrung für ihn. Zusammen mit seiner Frau hat er es nach Hause getragen  und  verbunden. Beide Hinterbeine sind verletzt, ein Oberschenkel gebrochen. Sohn Bernhard befragte das Internet: Was mache ich mit einem  hilflosen kleinen Reh, wie ernähre ich es? Und da im Internet eine Menge Informationen zu beinahe jedem Thema zu haben sind, wurde er fündig. Man darf ihm keine Kuhmilch geben, sondern ausschließlich Ziegenmilch. Es braucht jeden Tag eine Tasse voll Erde und frische grüne Blättchen von der Wiese. Das kleine Reh  liegt inzwischen in einem Körbchen, hat den Namen Rieke bekommen, schaut munter in die Runde, wenn die Umstehenden es voller  Rührung betrachten, hat offensichtlich keine Angst, aber derzeit noch Schmerzen, wenn es versucht aufzustehen. Es fiept jetzt auch schon, wenn es etwas fressen will. Familie Frankl ist voller Fürsorge und Freude und plant bereits, wo es seinen Bereich haben wird, wenn es wieder gesund und groß ist. Es wird sicherlich wieder laufen können, aber es wird natürlich behindert bleiben. Doch was macht das schon, wenn es ihm gut geht, sagt die begeisterte Familie.

Die Tierärztin dagegen ist fürs Einschläfern: Vielleicht hat es später mal Schmerzen, sagt sie. Ob es durchkommt, weiß man noch nicht. Sie könnte zwar ein Bein amputieren. Aber vom Tierschutz her gesehen ist das alles nicht akzeptabel. Also – in jedem  Fall  einschläfern
Was meinen Sie zu diesem Problem?

Nachtrag:

Das Rehkitz, das Familie Frankl so liebevoll gepflegt hat, ist inzwischen gestorben. Vielleicht hatte es auch innere Verletzungen, wer weiß. Jedenfalls hat jetzt die Natur entschieden.

Ingrid Leitner