Anja Buczkowski – eine der großen Stimmen des Bayerischen Rundfunks – ist am Sonntag, dem 10. Oktober verstorben.

Sie gehörte zu den Schauspielern, von denen man sagt, dass es auch noch spannend ist, wenn sie aus dem Telefonbuch vorlesen!

portrait-anja-buzckowskiIhre Wandlungsfähigkeit war erstaunlich, ihre Stimme so einprägsam, dass man sie jederzeit wiedererkannte. Sie konnte selbst mit 80 Jahren noch mühelos junge Frauen verkörpern, so eindringlich war ihre Interpretationskraft.
Als junge Schauspielerin hatte sie in Salzburg, Wien und München schon Aufsehen erregt. Dann verließ sie Deutschland. Sie hatte den geliebten Mann geheiratet und einen Sohn, Rostam, geboren. Als die Ehe sich für sie in eine Hölle verwandelte, kehrte sie zurück und wurde schnell zu einer der begehrtesten Sprecherinnen und Regisseurinnen des Bayerischen Rundfunks. Aber auch das Fernsehen beschäftigte sie mit Vorliebe, denn ihre Professionalität und ihre Einfühlsamkeit waren vor allem für die Kommentare in Natur- und Tierfilmen begehrt. Als sie in ihrer Wohnung verstarb, fand man ein Manuskript auf ihrem Schreibtisch, an dem sie gerade arbeitete – sie hätte in ein paar Tagen eine Studio-Aufnahme gehabt, bei der sie die Rolle von Melina Merkouri gelesen hätte.
Bis zu unserem Rosenfest im Juni war sie immer wieder bei uns im Club. Denn sie war seit langem CBF-Mitglied und stets bereit, bei unseren Feiern zu lesen: heitere, komische, melancholische oder romantische Geschichten. Unser Rosenfest fiel genau auf ihren 80sten Geburtstag. Sie las Rosengedichte, trank Bowle mit uns und freute sich über die Glückwünsche und den zart orange-roten Rosenstrauß.
vorlesen-buzckowskiZu den schönsten Erinnerungen an Anja Buczkowski gehören einige Clubreisen, an denen sie mit ihrem Sohn Rostam teilgenommen hat. Es waren die Mehrtages-Fahrten nach Ellwangen. Wir wohnten in einem gemütlichen schwäbischen Frauenkloster oberhalb des Ortes, mit einem weiten Blick rundherum, auf die Stadt Ellwangen und auf den breit hingelagerten Schlossberg. Und gleich nach dem ersten Mittagessen wanderten wir gemeinsam in den Obst- und Blumengarten der Schwestern. Dort gab es einen kleinen offenen Pavillon - zwischen Lilien, Margeriten und Pfingstrosen.
Wir gruppierten uns um Anja Buczkowski. Sie thronte in der Mitte wie eine Königin. Dann begann sie zu lesen. Wir hörten ihr stundenlang zu und versanken in den Märchenzauber von Tausend-und-eine-Nacht, schmunzelten über kuriose russische Sonderlinge oder tschechische Schlitzohren mit fragwürdiger Moral, aber großem Herzen. Und danach kehrten wir in gelöster Stimmung ins Kloster zurück, um gemeinsam ein deftiges schwäbisches Abendessen zu genießen.


Ingrid Leitner