Im August 2006 trat in Deutschland - als Umsetzung mehrerer europarechtlicher Antidiskriminierungsrichtlinien - das so genannte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft, das insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts eine Diskriminierung auf der Grundlage des Geschlechts, der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Weltanschauung oder Religion, des Alters, einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung verbat. Kritische Stimmen warnten damals vor den unabsehbaren Kosten im Rahmen der Umsetzung dieses Gesetzes und sahen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ernsthaft in Gefahr. Diese Befürchtungen schienen sich im vergangenen Jahr zu bestätigen: einerseits berichteten Medien mehrfach von Missbrauch in Form eines auf Klagen bei nicht dem AGG genügenden Stellenanzeigen angelegten "Bewerbungstourismus" (Personen hätten sich nach diesen Berichten auf solche Anzeigen aus dem gesamten Bundesgebiet gemeldet und dann im Falle der Ablehnung Schadenersatzansprüche geltend gemacht) und der daraus resultierenden Ratlosigkeit der betroffenen Wirtschaftskreise, andererseits bezifferte ein Gutachten der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft die Bürokratiekosten für die Einführung des AGG auf 1,73 Milliarden Euro (ausgeschrieben also 1.730.000.000!). Zu allem Überfluss drängt die Kommission der EU zudem bereits auf eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie, deren Umsetzung den bisher erreichten Schutz abzurunden gedacht ist. Manch einer möchte daher meinen, dass Deutschland im Falle einer getreuen Umsetzung einer solchen Richtlinie (sollte sie erlassen werden) der Dumme wäre und seine Wirtschaft bedeutende Standortnachteile erlitte, wohingegen Länder, die es mit einer Umsetzung nicht so genau nehmen, als lachende Dritte bzw. Gewinner im Wirtschaftswettbewerb dastünden.

Diesen Irrglauben rückt eine jetzt veröffentlichte Studie der wissenschaftlichen Kommission der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zurecht: diese geht von Kosten in Höhe von lediglich 26 Millionen Euro aus (zum Vergleich: 26.000.000), also 1,5 % der in dem anderen Gutachten genannten Zahl, wobei positive Effekte des AGG noch gar nicht berücksichtigt wurden.

Abgesehen von der beruhigend niedrigen Höhe der bezifferten Kosten (die zudem unter Berücksichtigung der Kostenvorteile des AGG zu dessen Kostenneutralität führen dürften), lehrt die Angelegenheit zweierlei:

Zum einen ist der Aussagewert eines Gutachtens häufig relativ. Neben den die Grundlage des Gutachtens bildenden Untersuchungsmethoden ist auch der jeweilige Auftraggeber zu berücksichtigen, bevor man sich den Inhalt des jeweiligen Gutachtens vorbehaltlos zu eigen macht. Fälle, in denen konträr zu den Interessen der Auftraggeber lautende Gutachten publik gemacht werden, sind selten. Vor diesem Hintergrund kommt der Studie der wissenschaftlichen Kommission der Antidiskriminierungsstelle des Bundes daher eine erhebliche Bedeutung zu, da es zwar zum Aufgabenkreis dieser Bundesstelle gehört, gegen Diskriminierungen vorzugehen, nicht aber Belastungen der Wirtschaft klein zu reden, wie mehrere Äußerungen von deren Vorsitzenden in der Vergangenheit belegen.

Zum anderen relativieren sich die Weltuntergangsszenarios so mancher Politiker im Zusammenhang mit der Vorstellung des neuesten Vorschlags einer Antidiskriminierungsrichtlinie seitens der EU-Kommission erheblich. Zielführend dürfte allein eine sachliche Diskussion der einzuführenden Vorschriften und von deren Folgen sein.

Wolfgang Vogl