Foto Rolf Wiemken

Ich erinnere mich gut an eine Szene aus dem Film, den Hans Prockl über den CBF gedreht hat: Rolf Wiemken sitzt auf einem Fahrrad, das anstelle des Vorderrades einen Rollstuhl montiert hat, in dem hoch aufgerichtet seine Frau Helga thront. So rollen die beiden langsam durch ihre Straße, umgeben von Kindern, die das ungewöhnliche Gefährt neugierig begleiten. Am liebsten würden sie es einmal selber ausprobieren! Aber Rolf und Helga fahren stolz vorbei - ein Paar, das immer unzertrennlich war, das stets gemeinsam auftrat und gemeinsam strahlte. Schon vor ihrer Ehe gingen sie häufig zusammen aus und tanzten leidenschaftlich gerne. Sie nahmen sogar an Turnieren teil und ertanzten sich Preise dafür, dass sie so elegant über das Parkett schwebten.
Dann, als man bei Helga eine MS-Behinderung feststellte, war die Erschütterung groß. Nun galt es ein neues, ein ganz anderes Leben zu führen. Würden sie sich nun trennen oder würden sie die jetzt auftretenden immensen Schwierigkeiten wieder als Paar bewältigen? Da Rolf ein sehr entschlossener und tatkräftiger Mensch war, konnte er sich relativ rasch auf die neuen Anforderungen einstellen. Er baute ein Haus, in dem alles barrierefrei gestaltet wurde, in dem er und seine Frau - die irgendwann auch einen Rollstuhl in Anspruch nehmen musste - sich bestmöglich bewegen konnten.
Sie erschienen bei uns im Club, um nicht nur für sich, sondern auch für andere Behinderte Schwierigkeiten beseitigen zu helfen und eine rollstuhlgerechte Umwelt zu schaffen. Und so hatten wir zwei freundliche, äußerst aktive Mitglieder dazu gewonnen. An ihrem gemütlichen schwäbischen Dialekt erkannte man übrigens sofort, wo die beiden herkamen!
Lange Zeit hat sich Rolf im CBF um die Rollstuhlparkplätze in München gekümmert, die zu oft von Nichtberechtigten verparkt waren. Er hat unablässig dafür gekämpft, dass die Polizei sie von den Parkplätzen abschleppen lässt. Er leitete ein einschlägiges Projekt und gab uns in Zusammenarbeit mit Peter Holzner Ratschläge und Mittel an die Hand, damit auch wir anderen Rollstuhlfahrer uns gegen die unberechtigten Falschparker wehren und unsere Parkplätze behaupten konnten. Auch an vielen anderen Aktionen des CBF nahmen die Wiemkens teil.
Und sie tanzten auch weiterhin - Rolf und Helga - das begabte Paar. Diesmal waren es Turniere für Rollstuhltanz, die sie besuchten und auf denen sie Preise gewannen. Und sie blieben ein Paar, auch als das Leben schwieriger wurde und sich gewisse Alterserscheinungen einstellten. Rolf hatte zwar Rückenschmerzen und ein paar andere gesundheitliche Einschränkungen zu verkraften, blieb aber relativ beweglich und gesund - bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Arzt bei ihm eine lebensgefährliche Krankheit feststellte.

Helga hatte das Glück, von ihm Abschied nehmen zu können. Nun haben sich die beiden Töchter und acht Enkel um sie versammelt, um sie für das schwierige neue Leben - ohne Rolf - zu stärken und zu unterstützen.

Ingrid Leitner