Einschlägige Informationsquellen, wie beispielsweise kobinet, haben zwar eine internationale Behindertenkonferenz im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft angekündigt, doch weder Fernsehen noch Zeitungen scheinen davon berichtet zu haben und auch die oben zitierten Informationsquellen helfen insoweit nicht weiter. Sollte etwa zwischen dem G8-Gipfel in Heiligendamm und dem hochdramatischen Gipfeltreffen der EU in Brüssel etwas so unspektakuläres wie eine Behindertenkonferenz auf der Strecke geblieben sein, während der Stab der EU-Ratspräsidentschaft bereits an Portugal weitergereicht wurde? Mitnichten.

Wenige Tage vor Ablauf der deutschen Ratspräsidentschaft fand nämlich am 11./12. Juni 2007 in Berlin die Europäische Konferenz zur Integration behinderter Menschen statt, die sich nicht zuletzt auch als Beitrag zum "Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle" versteht. Daran nahmen mehr als 300 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft sowie der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft teil, wobei auf politischer Ebene insbesondere der tschechische EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleicheit, Vladimir Spidla, der deutsche Arbeitsminister Franz Müntefering und die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer, für die Behindertenverbände vor allem der Präsident des European Disability Forum (EDF), Yannis Vardakastanis, Horst Frehe vom Deutschen Behindertenrat und Kalle Konkkola vom Disabled Peoples International zu nennen sind.

Abgesehen von den üblichen Formalitäten und feierlichen Ansprachen solcher Konferenzen nahmen die Diskussionen und Arbeiten die im Dezember letzten Jahres in New York von der Generalversammlung angenommene, im März von einer Vielzahl von Staaten unterzeichnete und derzeit im Ratifikationsprozess befindliche UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen als Ausgangspunkt.

Danach beschäftigte sich die Konferenz mit drei, bereits in der Konvention in einzelnen Artikeln abgehandelten Themenkomplexen näher:
  • Die integrative Bildung, d.h. das Ziel, dass behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam aufwachsen und zusammen lernen (Art.24 der UN-Konvention) wird bereits seit geraumer Zeit von den Vereinten Nationen und insbesondere von der UNESCO als wünschenswert betrachtet, da dies zu einer Qualitätssteigerung der Lehr- und Lernleistungen für alle führt. Dass wir Deutsche uns dabei keineswegs auf der sprichwörtlichen Insel der Glückseligen befinden, musste die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Karin Evers-Meyer, in diesem Zusammenhang einräumen, da nur hierzulande 13 % der behinderten Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit nichtbehinderten Schülern lernen, wohingegen die entsprechende Quote im EU-Durchschnitt bei 70 % liegt.

  • Die Beschäftigung behinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Art. 27 der UN-Konvention) wurde weiterhin als zentrales Thema behandelt, wobei auch hier erhebliche Unterschiede auf europäischer Ebene festgestellt werden mussten (eine Quote von nur 1 % bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen bei der EU-Kommission gegen 4,2 % in Deutschland). Unabhängig von diesen Unterschieden wurden aber primär Beschäftigungsstrategien für behinderte Menschen thematisiert, die von Aus- über Weiterbildung bis zu unterstützten Formen der Beschäftigung reichten.

  • Die Beseitigung von Barrieren im täglichen Leben (Art.9 der UN-Konvention) stellte schlussendlich den dritten Schwerpunkt dar, wobei Barrieren im weitest möglichen Sinn zu verstehen sind, da sowohl Vereinte Nationen als auch die Europäische Kommission eine Zugänglichkeit für alle nicht nur auf die physische Umwelt beziehen, sondern auch auf die Informations- und Kommunikationstechnik.
Diese Themenkomplexen wurden zunächst in Vorträgen abgehandelt, um dann im Anschluss daran in drei parallel veranstalteten Panels jeweils vertieft bearbeitet zu werden.

Wenn auch keine spektakulären Ergebnisse von dieser Konferenz zu berichten sind, so bleibt doch als positiver Befund, dass zum einen der angestrebte Meinungs- und Erfahrungsaustausch geglückt ist und durchaus als Grundlage für weitere Treffen gewertet werden kann. Zum anderen sind dadurch wie auch bereits durch die UN-Konvention - die Belange behinderter Menschen stärker ins Bewusstsein gerückt sind und Behinderung wird - um mit den Worten des Sozialkommissars Spidla zu sprechen - als Menschenrechtsthema und nicht länger als Frage der sozialen Integration angesehen. Darüber hinaus wurde im Verlauf der Konferenz den Teilnehmern auch deutlich, in welchem Umfang nach Inkrafttreten der UN-Konvention Umsetzungsmaßnahmen erforderlich werden. Vor diesem Hintergrund ist auch die Ankündigung des Sozialkommissars zu sehen, am 3. Dezember 2007 - dem Tag für Menschen mit Behinderungen - einen Aktionsplan insbesondere zur Umsetzung der UN-Konvention vorzulegen.

Wolfgang Vogl