Seit Monaten wird in der Presse und in der „Szene“ über die sogenannte Neuordnung der Zuständigkeiten in der Sozialhilfe und die damit verbundenen Nachteile diskutiert. Der Grund für diese Neuordnung liegt in dem Sozialgesetzbuch Nr. XII, vom 27.12.2003, das das Bundessozialhilfegesetz abgelöst hat.

Betroffen von der geplanten Neuordnung sind vor allem Menschen mit Behinderungen und zwar besonders diejenigen, die nicht in einem Heim, d.h. in einer stationären Einrichtung leben, sondern ihr Leben selbstbestimmt selbst organisieren, kurz die Menschen, die im sog. Ambulanten Bereich leben.

Zur Verständlichkeit hier die kurze beispielhafte Darstellung: Bisher hatte man als Mensch mit Behinderung in München vor allem mit seinem zuständigen Sozialbürgerhaus, d.h. mit der Stadt München zu tun. Im Sozialbürgerhaus stellte man seinen Antrag auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ( SGB XII), den Antrag auf zusätzliche Hilfe zur Pflege ( SGB XII), den Antrag auf Eingliederungshilfe, d.h. Antrag auf Taxischeine, Antrag auf Eingliederungshilfepauschale, Antrag auf Schulbegleitung etc.. Im Sozialbürgerhaus hat auch die sog. ARGE ihren Sitz und man kann auch, wenn man theoretisch erwerbsfähig ist, dort einen Antrag auf das Arbeitslosengeld II ( Hartz IV ) stellen.

Nun ist geplant, die Eingliederungshilfe vollständig in die Zuständigkeit der Bezirke zu geben, das heißt in München, an den Bezirk Oberbayern. Das bedeutet, dass man z.B. einen Antrag auf Taxischeine nicht mehr im Sozialbürgerhaus stellen kann, sondern dass man dazu zum Bezirk Oberbayern gehen muss.
Die Eingliederungshilfepauschale, die für viele eine wichtige Hilfe ist, wird evtl. vom Bezirk Oberbayern gar nicht mehr bezahlt, da sie eine „Spezialität“ der Stadt München ist und diese Form der Eingliederungshilfe dann nicht mehr als Pauschale sondern nur noch in Form von Helferstunden gewährt wird.
Die hinter dieser Neuordnung der Zuständigkeiten stehende Überlegung ist, dass möglichst viele Hilfen aus einer Hand kommen sollen. Bisher wurde bei den Hilfen für Menschen mit Behinderung aber mehr oder weniger zwischen "ambulant"; und "stationär" getrennt. Jetzt soll nach Hilfearten getrennt werden. Offen ist nach wie vor, wer für die Hilfe zur Pflege nach SGB XII zuständig sein wird. Bisher war es für die Menschen aus dem ambulanten Bereich für die ergänzende Hilfe zur Pflege das Sozialbürgerhaus, die Stadt. Die ambulante Lebensform - auch das Arbeitgebermodell - lag also bisher in der Zuständigkeit der Stadt. Nun wird zusätzlich noch der Bezirk zuständig. Für die ambulante Lebensform ergeben sich dadurch Nachteile. Dies nicht nur, weil der Bezirk als zusätzlicher Kostenträger auftritt, sondern weil der Bezirk als kommunale Gebietskörperschaft keine individuelle orts- und bürgernahe Versorgung mehr ermöglichen kann. Der Grundsatz ambulant vor stationär, der in Gesetzen wie das SGB IX und das SGB XII besonders auch durch das Persönliche Budget gefördert wird, gerät damit erneut in Gefahr.

Ilse Polifka, 21.06.2007

Der Behindertenbeauftragte der Landeshauptstadt München führt eine Unterschriftensammlung durch mit der Forderung, die stationäre und ambulante Hilfe zur Pflege und die stationäre und ambulante Eingliederungshilfe bei der Landeshauptstadt München zu belassen. Die Unterschriften sollen mit einer Petition dem Bayerischen Landtag übergeben werden. Wer diese Unterschriftensammlung noch unterstützen will, kann bei mir im CBF-Büro Listen anfordern.

Carola Walla