Nicht erst seit kurzem wird in der Öffentlichkeit und den Medien immer wieder über Cannabis und seinen Einsatz in der Medizin diskutiert.

Auch die mögliche Legalisierung von "weichen" oder auch "harten" Drogen (z. B. Heroin) ist immer wieder im Gespräch. Vor ein paar Wochen machte ein Fall Schlagzeilen, in dem ein Querschnittgelähmter mit einem Grad der Behinderung von 80 % vor Gericht gekommen war. Er wurde angeklagt wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, da auf seinem Balkon ein Cannabisbeet also Hanfpflanzen entdeckt worden war und dieses Beet mehr enthielt als die vom Gesetzgeber zugelassene "geringe Menge" des Stoffes. Mit den angebauten Pflanzen wollte er nach eigenen Angaben die chronischen Schmerzen lindern, die Folgen seines Unfalls seien; das Verfahren ist momentan ausgesetzt.

Zum Thema "Cannabis und Medizin" hier noch ein paar Informationen - wir haben ja an einem Clubabend bereits darüber geredet. Das englische Wort "drug" kann im Deutschen mit "Medizin" übersetzt werden, aber auch mit "Droge". Diese auf den ersten Blick widersprüchliche Bedeutung erklärt sich, wenn man weiß, dass es "Drogen" gibt allen voran die Cannabis-Pflanze, aus der Haschisch hergestellt wird, die in der Medizin zur Behandlung eingesetzt werden. In China ist das bereits seit 4500 Jahren üblich. Dort wurde die Pflanze zur Behandlung verschiedenster Krankheiten, wie Rheuma, Malaria und Entzündungen verwendet. Bis heute sind es vor allem asiatische Mediziner, die ihren Patienten Cannabis zur Behandlung ihrer Leiden empfehlen. Die westliche Medizin und Forschung entdeckte Cannabis erst für sich, als in den 1960er Jahren der wichtigste Wirkstoff der Pflanze, das sogenannte "Delta-9-Tetrahydrocannabinol" (THC), isoliert werden konnte. Als man wenig später auch noch entdeckte, dass das Gehirn in der Lage ist, die medizinisch wirksamen Bestandteile (Cannabinoide) der Pflanze aufzunehmen und zu binden, erwachte das Interesse für die Pflanze neu. THC wurden verschiedene Eigenschaften zugeschrieben. Die Meinungen über die Forschungsergebnisse gehen allerdings weit auseinander; sicher scheint bis jetzt lediglich, dass der Wirkstoff AIDS-Kranken und Krebspatienten dabei hilft, ihre Übelkeit zu bekämpfen und den Appetit anzuregen, damit sie wieder an Gewicht zulegen können. Alle anderen Wirkungen der Pflanze sind, soweit ich dies bis jetzt nach der Lektüre verschiedener Internet-Seiten und Befragung eines Neurologen beurteilen würde, zumindest stark umstritten.

Andererseits: das Bundesgesundheitsministerium weist ebenfalls auf das "breite pharmakologische Potential" der Cannabis-Pflanze hin, gibt aber zu bedenken, dass die Informationen dazu häufig auf anekdotische Berichte [...] zurückzuführen sind. Mit anderen Worten: es existieren noch nicht genügend wissenschaftlich fundierte Untersuchungen, um in die eine oder andere Richtung schlüssig argumentieren zu können. Auf internationaler Ebene gibt es eine "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin", getragen von Medizinern aus allen Teilen der Welt, die sich ausschließlich der Forschung in diesem Bereich verschrieben hat; Sitz dieser Arbeitsgemeinschaft ist Neunkirchen (Internet: www.cannabis-med.org).

Das bis heute einzige zugelassene Medikament, das den synthetisch hergestellten Wirkstoff THC enthält und in Deutschland auf Betäubungsmittel-Rezept erhältlich ist, heißt "Marinol" und wird von den Firmen "THC Pharm" (Frankfurt) und "Delta 9 Pharma" (Neumarkt) hergestellt. Problematisch an diesem Medikament ist die Tatsache, dass es nur in Pillenform erhältlich ist: Patienten, die an Brechreiz leiden, haben oft große Probleme, die geleeartigen Pillen zu schlucken. Außerdem ist es um ein Vielfaches teurer und naturgemäß schwerer zu bekommen als natürlicher Hanf. Zudem sind die bürokratischen Hürden für Patienten, die "Marinol" nehmen möchten, enorm. Und hier kommen Politik und Justiz ins Spiel: möchte ein Betroffener Bürokratie und öffentliche Aufmerksamkeit vermeiden und auf die kostengünstigere Variante zurückgreifen, indem er z. B. wie im anfangs beschriebenen Fall natürlichen Hanf in seinem Garten/auf dem Balkon zur persönlichen Verwendung anbaut, so bekommt er Ärger mit der Justiz! Einen Ausweg aus dieser Zwickmühle sehen viele in der teilweisen oder kompletten Legalisierung von Hanf; sie sind der Meinung, dass Gefahren, die aus der Illegalität von Cannabis resultieren, wie beispielsweise die mangelnde Qualitäts­kontrolle, Rechtsunsicherheiten, Förderung der organisierten Kriminalität, allgemein höhere Kosten für die Gesellschaft, beseitigt werden könnten. Andere wiederum sehen im Fall einer Legalisierung die Gefahr eines Drogenbooms, d. h. sie fürchten, dass die Hemmschwelle sinkt und immer mehr Menschen zum Drogenkonsum verleitet werden. Das Argument, Cannabis sei besonders gefährlich, ist allerdings heute nach Meinung der meisten Wissenschaftler nicht mehr haltbar.

Florian Gerich