Wann wird es endlich wieder so wie früher wie es nie war? 

Nachdem die AFD bei der letzten Wahl im Oktober erneut mehr Stimmen bekommen hat, und zwar aus allen politischen Lagern, wie uns die Wahlanalysen versichern, wollten wir das Thema noch einmal aufgreifen. Der flapsige Spruch ist mir beim Durchlesen des AFD-Programms zur Landtagswahl gekommen, das sich rückwärtsgewandt las, am besten so lassen, wie es ist, oder wieder zurückkehren zu früheren Zuständen. Da das Programm immerhin stolze 148 Seiten aufweist, haben wir uns ein paar Sachen herausgepickt, gar nicht die Stellung zu Migration und Einwanderung, die man als bekannt voraussetzen kann. Dazu nur ein kurzer Einwurf, wenn es keine Migration geben darf, wie will die AFD dann den Fachkräftemangel beheben, wenn sie noch dazu, dafür sorgen will, dass junge Mütter mindestens die ersten drei Jahre bei ihren Kindern zu Hause bleiben? Mit ausgewählten hochqualifizierten Fachkräften aus dem Ausland, die wollten doch leider nicht in großer Zahl kommen. 

Außer den Grünen wird keine Partei, mit der die AFD in Konkurrenz steht, namentlich genannt, es werden die linksgrünen Bestrebungen in der (bayrischen!) Politik und auch gar sozialistische Maßnahmen beanstandet. Man reibt sich die Augen, haben nicht die CSU und die freien Wähler in den letzten Jahren regiert? 

Auffällig ist, dass die AFD zur bayerischen Politik nicht so viel zu sagen hat, außer natürlich, dass sie ihren Slogan von „Deutschland zuerst“ in  
„Bayern zuerst“ umgewandelt hat. 

Viele Forderungen beschäftigen sich mit Aufgaben der Bundespolitik, z.B. Steuer- und Rentensystem. 

Durch das ganze Programm zieht sich, dass das Ansehen des Militärs und der Polizei gestärkt werden soll, in Schulen und Universitäten sollen sie auftreten. Der Widerstand der Studenten dagegen soll auf jeden Fall unterbunden werden. Sie beklagen sich, dass nur die Rechten verfolgt würden und nie die Linken. Die „letzte Generation“ stempeln sie zur linksterroristischen Vereinigung, die unbedingt verfolgt werden muss, Verbrechen der Nazis, mit denen sie eng verbunden sind, und deren Aktionen sich meist gegen Migrantenunterkünfte richten, wobei diese Aktionen vor Gewalt gegen Menschen nicht zurückschrecken, finden hingegen keinerlei Erwähnung.   

Es ist aber direkt komisch, dass sie das einzige, was das Ansehen und die Bedeutung des Militärs in der bundesdeutschen Öffentlichkeit wirklich bestärkt hat, herunterspielen: den Angriff Russlands auf die unabhängige Ukraine und die Bedrohung der Außengrenzen der Nato. An der Solidarität mit der Ukraine wollen sie sich nicht beteiligen, stattdessen, wünschen sie, dass auch diese Flüchtlinge möglichst bald gehen und bis dahin soll ihnen noch das Leben mit eingeschränkten Sozialleistungen schwer gemacht werden. 

Ganz besonders liegt der AFD am Herzen die Verschärfung des Waffenrechts zu verhindern: „Von Jägern über Sammler bis zu Sportschützen – Legalwaffen sind ein unverrückbarer Teil Bayerns. Jahre und Jahrzehnte an vollkommen unverhältnismäßigen Waffenrechtsverschärfungen gefährden die Jagd, den Sport sowie die Traditionspflege in Bayern. Jegliche Verschärfung des Waffenrechts lehnen wir entschieden ab, da das real existierende Problem der Waffengewalt durch die im Umlauf befindlichen nicht erfassten illegalen Waffen hervorgerufen wird“. 

Keine Rede davon, dass gerade Polizisten mit Waffen in legalem Besitz von Reichsbürgern verletzt und getötet wurden. Da sind ihnen plötzlich ihre Anhänger im Reichsbürgermilieu wichtiger als die Polizei. Auch keine Rede davon, dass Amokläufer verhältnismäßig leicht an Waffen von Jägern und Sportschützen herankommen. 

Vom Wahren, Guten und Schönen 
Über die Vorstellungen der AFD zu Bildung und Kultur 

„Die in der Bayerischen Verfassung verankerten Prinzipien des Wahren, Guten und Schönen sind für uns der Ansporn, die Bedingungen für einen kulturellen Aufbruch zu schaffen, den unsere geistig und kulturell erschütterte Nation dringend nötig hat.“ Das stand im Wahlprogramm der AFD zur Landtagswahl in Bayern 2023. Es ist ein bewährter demagogischer Trick, die Lage in den schwärzesten Farben zu schildern um sich dann als „Retter aus der Not“ zu empfehlen. 

In einer Zeit von Krieg und Krisen, Inflation, Unsicherheit und Zugverspätungen fühlen sich viele Menschen verunsichert und würden sich wünschen, dass es wieder so wird, wie sie sich die Zustände in früheren Zeiten vorstellen. Zwar ist der Begriff der Nation etwas hoch gegriffen, vermutlich hat sich die bayrische AFD da beim Bundesprogramm bedient. Aber Ängste zu schüren, ist immer ein probates Mittel, um dann mit „einfachen Lösungen“ sich als Retter zu profilieren. Beispielsweise der „Bedrohung von Kunstschätzen in bayrischen Museen durch militante Extremisten und internationale Diebesbanden“ mit „höheren Schutzmaßnahmen“ zu begegnen, etwa einer Besserstellung des Museumspersonals (vielleicht, weil Museumsbedienstete bisweilen an solchen Diebstählen beteiligt sind). Bedrohungen sind zum Beispiel das Bewerfen von Kunstwerken mit Lebensmitteln oder dass sich jemand an einen Bilderrahmen klebt, um Maßnahmen gegen die Erderhitzung zu fordern. Und Kunstwerke stehlen nicht nur internationale Diebesbanden, es sind auch viele Deutsche dabei. 

Das Denkmuster ist so: Unsere deutsche Welt ist an sich in Ordnung. Ausländer, Migranten und eine linksgrün versiffte Politik bedrohen diese Ordnung. Die Hauptfeinde sind also Grüne und Fremde. Die AFD wird dem ein Ende machen. Deswegen muss man sie wählen. 

Was nicht dabei bedacht wird, wer würde zum Beispiel die Arbeiten übernehmen, die aus dem Ausland zugewanderte Menschen oft zu niedrigsten Löhnen machen? Es geht gar nicht ohne Zuwanderung. 

Die AFD verlangt: „Die Menschen in unserem Land sollten in der Lage sein, selbstständig zu denken und Ideologien kritisch zu hinterfragen. Auch wissenschaftliche Hypothesen haben nur vorläufige Geltung und können möglicherweise widerlegt werden.“ Das klingt vernünftig und ehrenwert. Freilich ist in dieser Denkweise nur all das Ideologie, was dem Weltbild der AFD widerspricht, wie es an ihrem Wahlplakat „Umweltschutz statt Klimawahn“ zu sehen war. Für Umweltschutz ist sozusagen jeder, aber die wissenschaftlich belegte Erderwärmung zählt zu den Hypothesen mit vorläufiger Geltung, die möglicherweise widerlegt werden können und deshalb ruhig (und angeblich ideologiefrei) als Wahn bezeichnet werden dürfen. Hierzu passt die Aussage „Die bayerische Kulturlandschaft wollen wir vor Zerstörungen durch Windräder, Solarparks und eine gesichtslose Architektur bewahren.“ Solarparks und Windräder sind schlecht und darf es nicht geben. Die „gesichtslose Architektur“ ist meistens eine Folge des Profitstrebens, zu dem aber hier gar nichts gesagt wird. „Eine Aufweichung des Denkmalschutzes im Namen des ‚Klimaschutzes‘ (z.B. durch Photovoltaik und Fassadendämmung an historischen Gebäuden) lehnen wir ab.“ Pseudorustikale Architektur im Landhausstil wäre der AFD lieber. 

„Minarette gehören als Herrschaftszeichen einer totalitären Ideologie nicht nach Bayern. Sie zerstören als kulturelle Fremdkörper unsere bayerische Kulturlandschaft.“ Welche totalitäre Ideologie ist gemeint? Der Islam? Jeder dörfliche Kirchturm in Bayern könnte genauso als Herrschaftszeichen einer totalitären katholischen Kirche gesehen werden, nur dass diese Ideologie halt die einheimische, hiesige ist. Denn Toleranz hat die Kirche in ihrer langen Geschichte, wenn überhaupt, erst sehr spät gelernt. Da war Friedrich der Große, preußischer König und Verfechter der von der AFD im Munde geführten Aufklärung weiter, der für Einwanderer fremder Glaubensrichtungen Moscheen und Tempel errichten wollte. (Stichwort Fachkräftemangel). 

Wer die Jugend hat, hat die Zukunft. Wichtig sind der AFD die Kinder. Sie will „unsere Kinder vor politischer Indoktrination und Frühsexualisierung bewahren.“ Dahinter steckt die Ideologie vom Kind als reinem, unschuldigen Wesen. Freud sah es anders. Ganz vergessen wird dabei, welchen Einflüssen die Kinder, die ja nicht unter einer Käseglocke aufwachsen, durch ihr Umfeld, sprich andere Kinder, und die Medien, insbesondere die sogenannten „sozialen Medien“, ausgesetzt sind, in denen, oft durch Kinder selbst verschickt, Beiträge mit Sex, Brutalität und Gewalt zu finden sind. „Unsere Kinder sollen ein natürliches Heimatgefühl entwickeln.“ – wie unter diesen Umständen? Und was ist überhaupt ein natürliches Heimatgefühl? In Neuperlach? In Deggendorf? In Ottobrunn? Ich erinnere mich an die Geschichten und Bilder in meinem Grundschullesebuch in den 50er Jahren, die schon damals ein der Wirklichkeit überhaupt nicht entsprechendes idyllisches Bild vom ländlichen Leben zeigten. Solche Idyllen schweben der AFD wohl vor, wenn sieschreibt: „Kinder orientieren sich zunächst und vor allem an den Eltern und deren Wertvorstellungen. Die familiäre Bindung ist prägend für das gesamte Leben und die Voraussetzung einer gelingenden Entwicklung. Diese Prägung kann nicht vollkommen durch Fremdbetreuung und Schulunterricht ersetzt, sondern nur ergänzt werden. Wir wollen Eltern dabei unterstützen, ihre Kinder bis zum vierten Lebensjahr zu Hause betreuen zu können.“ 

Das geht nicht, wenn beide Eltern arbeiten. Woraus läuft das also hinaus? Sollen die Mütter zu Hause am Herd bleiben statt zu arbeiten? Das wäre ökonomisch überhaupt nicht möglich angesichts der gegebenen Löhne und Preise. Und es widerspricht überdies jeglichem Selbstbestimmungsrecht von Frauen. 

Tatsächlich propagiert die AFD ein rückwärtsgewandtes (reaktionäres) Bild von Bayern, das mit der gegenwärtigen Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung zu bringen ist – nach dem Motto: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war? 

Carola Walla und Jürgen Walla