Man muss ja nicht immer Pech haben! Bei der letzten Führung über den Verlauf der ersten Stadtmauer vertrieben uns Kälte und Nässe an der Augustinerkirche in die gleichnamige Gaststätte. Diesmal war Petrus gnädiger mit uns. Es standen zwar dichte Wolken am Himmel, sie behielten ihre Feuchtigkeit aber für sich und luden sie anderswo ab, wofür ich ihm dankbar bin.
Angesichts des Wetters, das nicht gerade zu einem Spaziergang einlud, war das Interesse am Münchner Rathaus sehr lebhaft. Dafür bedanke ich mich herzlich!
Eine kleine Anekdote führte zur Frage, wer für das Münchner Kindl auf der Turmspitze unseres Rathauses Modell stand: ein sehr bekannter Volksschauspieler! Wer hätte das gedacht? Das Münchner Kindl ist sogar teilweise vergoldet, von wem und auf wessen Kosten, bleibt ein Geheimnis.
Neben dem weltberühmten Glockenspiel mit den tanzenden Schäfflern verblassen andere Details leicht. Wer würdigt schon den Weißwurstholer inmitten der Wittelsbacher?
Stolz zeigt München die Wappen vieler bayrischer Städte und demonstriert so seine Stellung als Hauptstadt Bayerns.
Und dass um 21.00 Uhr ein schützender Engel das Münchner Kindl ins Bett bringt und ein Nachtwächter samt Hellebarde, Lampe und Hund seine Runden dreht, wissen auch viele Münchner nicht.
Der Prunkhof führt den Stadträten beim Blick aus dem Fenster noch heute vor Augen, dass der kürzeste, direkte Weg nicht immer möglich ist. Hier konnten wir uns auch überzeugen, dass die Stadtkasse dem zahlenden Bürger wesentlich mehr Sympathie entgegenbringt als dem, der das Geld hinausträgt.
An der Treppe der Lebensalter wurde uns vor Augen geführt, daß mit 60 Jahren das Alter anfängt, was ich selbst bestätigen kann.
Gegenüber sahen wir verschiedene Beamte. Einer von ihnen zeigt seine Faulheit, indem er die Akten aus dem Fenster wirft.
Besonders sehenswert sind die zur Weinstraße hin eingemeißelten Bürgereigenschaften. Direkt gegenüber der Gaststätte Donisl ermahnt uns eine Büste, nicht der Trunksucht zu verfallen. Die Büste ist wohl zu weit weg, um bis zur Theresienwiese zu wirken.
Nicht nur an dieser Stelle blitzt der Humor des Architekten Georg Hauberrisser auf. Ob er deshalb in den Maximiliansorden aufgenommen wurde, das Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone und den Verdienstorden vom Heiligen Michael bekam? Diese Frage könnte uns der vielgeliebte Prinzregend Luitpold beantworten. Ich bin überzeugt, dass auch ohne die witzigen Details des Rathauses Georg Hauberrisser 1901 zum „Ritter Georg von Hauberrisser“ erhoben worden wäre. Zugegeben, er ließ sich von anderen Bauten inspirieren, aber die eleganten Linien und das harmonische Gesamtbild hat er selber geschaffen. Ein Glück, dass das Rathaus im Krieg nicht so schwer beschädigt wurde wie die Residenz und die Frauenkirche!
Pünktlich beendeten wir unseren Rundgang und zogen uns in die Pizzarei zurück, die der Sohn des früheren Präsidenten Wildmoser von 1860 München besitzt. Die positiven Rückmeldungen von vielen, die dabei waren, veranlassen mich zu den Worten, mit denen sich der Prinzregent oft verabschiedet hat: „es hat mich sehr gefreut“.
Werner Graßl