Wie in der November-Ausgabe angekündigt, zeige ich hier was es heißt, Internet-Auftritte barrierearm zu gestalten.

Da es das World Wide Web erst seit gut 20 Jahren gibt und in den ersten Jahren von Design gar keine Rede war, ist der Beruf des Web-Designers recht jung. Anfangs war Barrierefreiheit kein Thema. Die ersten Web-Designer waren froh, wenn bunte Bilder und Texte in netten Farben erschienen. Inzwischen gibt es aber wunderbare technische Möglichkeiten, Internetseiten herzustellen. Die Gestaltung übernimmt oft ein Grafiker. Die Hauptaufgabe des Web-Designers ist es dann, diesen Entwurf umzusetzen und den besten Kompromiss zwischen den Wünschen des Auftraggebers, den Ansprüchen der Besucher und den technischen Möglichkeiten zu finden und die Seite zu programmieren.

Web-Designer verwenden eigene Sprachen. Es ist wie mit allen Sprachen, die Kenntnisse gehen von einem Minimal-Urlaubswortschatz bis zur perfekten Kenntnis aller Feinheiten und Dialekte. Um barrierearme Webseiten herzustellen, muss ein Web-Designer schon wirklich gute Kenntnisse haben - das ist einer der Gründe, warum es wenig barrierearme Seiten gibt. Gute Web-Designer und gute Grafiker sind auch teuer, sorgfältige Arbeit verlangt Zeit und so reduziert sich wieder mal alles auf das liebe Geld. Kommerzielle Auftraggeber möchten Internetauftritte schnell und billig realisiert sehen und zwar so, dass sie viele Besucher anlocken und viel Geld einbringen. Barrierefreiheit steht bei kommerziellen Seiten daher selten auf der Prioritätenliste. Es gibt rühmliche Ausnahmen, aber sie sind selten!
Nehmen wir die als einfaches Beispiel die Schriften auf Web-Seiten. Klar ist: Je größer, kontrastreicher, klarer die Schrift ist, desto besser ist sie auch für Menschen mit Sehschwäche lesbar. Aber:

Ein Beispiel für winzige Schriften auf einer Seite

Es soll möglichst viel auf eine Seite passen: die Schrift wird homöopathisch klein.  Man kann zwar die Darstellung vergrößern, zum Beispiel mit Festhalten der shift-Taste und Drehen am Mausrad. Dabei wird meist der rechte Rand der Ansicht abgeschnitten und Querscrollen ist erforderlich. Das ist nicht benutzerfreundlich.

eine Seite mit fast unsichtbar hellgrauer Schrift auf weißem Grund

Seiten, die besonders "edel" aussehen wollen verwenden gerne hellgraue Schrift auf weißem Grund mit dem schwächsten Kontrast der überhaupt möglich ist. Das ärgert mich immer besonders!

eine Seite mit großer Schrift, startkem Kontrast Seiten, die sich um Barrierearmut bemühen wie www.muenchen-tourismus-barrierefrei.de oder unsere CBF-Homepage, verwenden starke Kontraste und große Schriften.  Auch hier können die Schriften mit der shift-Taste und Mausrad noch vergrößert werden. Der Bildschirm passt sich dann an, so dass kein Querscrollen erforderlich ist. Das Querscrollen gilt nicht direkt als Barriere, es ist aber jedenfalls unangenehm für Anwender, besonders wenn sie nicht sicher mit der Maus arbeiten können

Die BITV legt nun wenigstens fest, dass auf den Seiten der Bundesverwaltungsbehörden Schriften mit starken Kontrasten und ausreichenden Größen verwendet werden müssen.

Anforderung 1.4 der BITV 2.0
Nutzerinnen und Nutzern ist die Wahrnehmung des Inhalts und die Unterscheidung zwischen Vorder- und Hintergrund so weit wie möglich zu erleichtern.[ … ]

Für den Web-Designer ist es leicht, Schriften groß zu machen und starke Kontraste zu verwenden. Warum tut er es dann nicht immer? Weil er den Auftrag hat, möglichst viel auf eine Seite zu bringen oder weil der Kunde auf einer bestimmten Farbe besteht oder weil er einfach von seinem eigenen perfekten Sehvermögen ausgeht. Das Jung-männlich-rechtshändig-Syndrom nenne ich das. Aber in den letzten Jahren wächst das Verständnis für diese Barriere (auch Web-Designer werden älter und alterssichtig).  
Die Seiten der Stadt München sind inzwischen teilweise barrierearm, auch die Seite unseres Lokals des Monats ist mit klarer Schrift und guten Kontrasten ausgestattet. Eine gute Entwicklung zeichnet sich hier ab!

Christiane Maier-Stadtherr