Grüß Gott! Darf ich mich vorstellen? Ich bin ein waschechtes Münchner Kindl, 52 Jahre alt, ledig, kinderlos und promovierte Chemikerin. Ich konnte meinen erlernten Beruf aber nicht lange ausüben, da ich 1988 infolge meiner massiven psychischen Instabilität schwer erkrankte und erwerbsunfähig wurde.

Seitdem findet mein Leben im Rollstuhl statt und seitdem ist es geprägt von Training, Therapien und Reha-Maßnahmen. Bei der Verteilung schwerer Krankheiten muss ich wohl zweimal „hier“ gerufen haben. Denn offenbar genügte es mir nicht, dass mein Leben seit 1983 schon durch eine Zyklothymie (Manisch- Depressiv-Sein) bestimmt wurde, die die Lebensqualität stark einschränkte.

Ende 1988 „erwarb“ ich mir auch noch meine Schwerbehinderung! Ich habe nun ein Buch über meine Erfahrungen als seelisch und körperlich Behinderte verfasst. (Oft kommt ja beides zusammen vor!)

„Flambierte Rosinen“, erschienen im Verlag der Ideen, zeigt auf, was es bedeutet, manisch-depressiv zu sein. flambierte_rosinenIch schildere sämtliche Facetten meines Lebens in den Extremen von Manie und Depression und zeige Wege aus der Krankheit auf. Damit möchte ich LeidensgenossInnen Mut machen und Verständnis wecken bei Angehörigen, Freunden und jedermann. Um solch ein Leben zu meistern, sind ein Stück weit Distanz zum eigenen Leiden und eine große Portion Humor und Selbstironie ungemein hilfreich. Weil Bücher über ein schwieriges Thema auch unterhaltsam sein müssen, erzähle ich auch witzige und skurrile Szenen aus meinen manischen Phasen.

Hier eine Leseprobe: “Mich packte das Reisefieber, und ich düste mit dem Zug nach Zürich. Als ich dort spät abends ankam, verspürte ich erst einmal das dringende Bedürfnis zu duschen. Aber nicht etwa, dass ich warten wollte, bis ich im Hotel war. Nein, auf der Stelle musste es sein - in der Bahnhofsdusche! Ich erinnere mich noch, dass das ein recht abenteuerliches Unternehmen war: Irgendwie musste ich über meinen Gehwagen klettern, um überhaupt in die Duschkabine zu passen. “Blitzblank“ suchte ich als nächstes in einer Telefonzelle die Nummer eines mir bekannten Anwalts, um ihn mit einem Spontanbesuch zu überraschen. Dumm nur, dass ich in Zürich gar keinen Anwalt kenne! Und auch sonst niemanden.“ (Ein weiterer Blick ins Buch ist möglich auf www.libreka. de/9783942006026.)

„Flambierte Rosinen“ stellt meinen Beitrag zu Enttabuisierung und Durchbrechen des Stigmas psychischer Erkrankungen dar. Es handelt sich bei den Betroffenen nämlich nicht um mal schlecht gelaunte und introvertierte, mal völlig überdrehte und extrovertierte Zeitgenossen, die die Gesellschaft belasten, sondern um wertvolle, meist ausgesprochen kreative Menschen, die die Gemeinschaft bereichern können - die aber eben auch krank sind, und denen genauso wie Patienten mit Herzfehlern, Diabetes, Bandscheibenvorfällen oder Krebs geholfen werden möchte und kann. Es gilt dabei ihre Talente zu bewahren und zu fördern, damit wir mehr Van Goghs, Robert Schumanns oder so geniale Mathematiker hervorbringen wie den, den wir im Film „A Beautiful Mind“ kennen gelernt haben.

Anne Schätzko