Stellt eine Urlaubsgruppe behinderter Menschen eine Urlaubsbeeinträchtigung für andere (gesunde) Urlauber dar? Führt ein behinderter Bewohner des Nachbargrundstücks zur Mangelhaftigkeit eines angrenzenden Grundstücks?

So absurd und beleidigend solche oder ähnliche Beispiele auch klingen mögen, in der Realität wurden diese Auffassungen tatsächlich vertreten und teilweise von Gerichten mit haarsträubenden Argumenten auch für begründet empfunden.

So wurde im Reiserecht in der Vergangenheit die Anwesenheit behinderter Gäste im Hotel von der Rechtsprechung doch tatsächlich vereinzelt als Reisemangel qualifiziert. Seit Ende 1994 steht solchen Auffassungen explizit die spezielle Ausprägung des Gleichheitssatzes im Art.3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes entgegen, wonach „niemand … wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ darf. Ungeachtet gesetzlicher Bestimmungen zum Schutze behinderter Menschen wie der eben erwähnten grundgesetzlichen Regelung, des Allgemeinen Gleichheitsgesetzes oder der geplanten Antidiskriminierungsrichtlinie der EU (wenn sie denn, wie vorgesehen, erlassen wird), werden behinderte Menschen jedoch nur dann als vollwertige und ebenbürtige Teile der Gesellschaft angesehen werden, wenn alle, auch die Gerichte, sie als solche behandeln.
Vor diesem Hintergrund ist daher die folgende Entscheidung des Landgerichts Münster zu sehen (LG Münster vom 26.02.2009, 08 O 378/08): In diesem Fall hatte der Kläger eine Eigentumswohnung mit Terrasse und Gartenfläche erworben, musste aber danach feststellen, dass auf dem Nachbargrundstück eine Familie wohnte, deren autistischer Sohn sich in den Sommermonaten nachmittags und abends häufig im Garten aufhielt und dort auch Geräusche von sich gab, durch die sich der  Kläger in der Nutzung von Garten und Terrasse beeinträchtigt sah. Für den Kläger stellte dies einen Sachmangel der erworbenen Eigentumswohnung dar, weshalb er – unter anderem – nach ergebnisloser Aufforderung 10 % des Kaufpreises klageweise zurückforderte.
Nach Auffassung des Landgerichts Münster liegt jedoch bereits kein Sachmangel vor: Zum einen stellt der Aufenthalt eines behinderten Kindes auf dem Nachbargrundstück keinen Mangel dar (was eigentlich selbstverständlich sein sollte, immerhin wurde diese Frage aber offenbar so oder ähnlich bereits von einem Oberlandesgericht entschieden), zum anderen führen auch die Geräusche des Kindes zu keinem Sachmangel. Nachdem das Landgericht aber Lärmbelästigungen grundsätzlich als möglichen Sachmangel ansieht, sind hier die Kriterien von Interesse, anhand derer beurteilt wird, wann ein Sachmangel anzunehmen ist und wann nicht. Dabei sind Ursache sowie Intensität der Geräusche in Form von Dauerhaftigkeit und Lautstärkevolumen aber auch das allgemeine Lebensrisiko zu berücksichtigen, wobei neben dem Lärmpegel auch die Art des Geräusches und der soziale Zusammenhang eine Rolle spielen. Danach ist aber Kinderlärm als solcher grundsätzlich als sozialadäquate Beeinträchtigung hinzunehmen und der besondere  Schutz Behinderter nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz führt ebenfalls zur Ablehnung eines Sachmangels. Darüber hinaus kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass selbst dann, wenn eine Lärmbeeinträchtigung einen Mangel darstellen würde, die dann zu verlangende Wesentlichkeitsschwelle nicht überschritten worden sei, da Ruhezeiten im erforderlichen Umfang eingehalten werden können.
Nachdem aber bereits kein Sachmangel anzunehmen war, konnte der Kläger auch nicht den Kaufpreis teilweise zurückverlangen. Da das Landgericht auch sonst keine Ansprüche des Klägers erkennen konnte, hat es dessen Klage insgesamt abgewiesen.
Man mag diesem Urteil entgegenhalten, dass es erst durch eine Reihe von Wertungen zu einem Ergebnis kommt und diese Wertungen von einem anderen Gericht auch ganz anders und vor allem mit einem anderen Ergebnis vorgenommen werden könnten, so dass eine für niemanden wünschenswerte Rechtsunsicherheit die Folge ist. Diese Sichtweise übersieht jedoch, dass den vorgenommenen Wertungen teils verfassungsrechtliche, teils einfachgesetzliche Grundsätze zugrunde liegen.  Es ist somit schwer vorstellbar, dass andere Gerichte zu diametral entgegen- gesetzten Ergebnissen kommen.