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Kategorie: 2021-12 Dezember

Gespräch mit Professor Dr. Karl Walter Jauch, dem Vorsitzenden der ehemaligen Bayerischen Impfkommission und Ärztlicher Direktor des Klinikums der LMU bis Ende 2020.

Das Gespräch für die Clubpost führte Carola Walla

Clubpost: Professor Jauch, in München sind derzeit noch nicht einmal 70% der Einwohner zweimal geimpft. Obwohl mittlerweile 9 von 10 Patienten, die derzeit mit Covid 19 auf einer Intensivstation liegen, Ungeimpfte sind. Bereits im Sommer haben die Virologen prophezeit, dass sich jeder, der sich nicht impfen lässt, mit Covid19 anstecken wird. Bei vielen wird es glimpflich verlaufen, bei vielen anderen aber auch nicht. Was hält die Menschen denn ab, sich impfen zu lassen?


Professor Jauch:

Wir wissen, dass nur die geringere Zahl an Nichtgeimpften wirkliche Impfverweigerer oder auch Querdenker mit Verschwörungstheorien sind. Die Mehrheit der Nichtgeimpften sieht für sich aus verschiedenen Gründen nur eine minimale persönliche Gefahr, weil sie sich für gesund, fit und widerstandsfähig halten. Daneben fühlen sie sich gegenüber der Gesellschaft allgemein, den Kindern und gefährdeten Mitbürgern nicht solidarisch verpflichtet durch Impfung das Ansteckungsrisiko und die Virusausbreitung zu minimieren. Auch spielen Fehlinformationen (Fake News), mangelnde Information und Verunsicherung bei einem Teil der Leute eine große Rolle neben Bequemlichkeit, weshalb es von höchster Bedeutung ist auch niedrigschwellige Angebote zum Impfen noch stärker einzusetzen und insgesamt die Erstimpfungen und Boosterung vor allem der über 60 jährigen und Vorerkrankten zu verstärken.(Impfbus etc).

Wenn man mit Leuten spricht, dann hört man immer wieder, wenn ich geimpft bin, kann ich auch immer noch krank werden, und außerdem ansteckend sein, ohne dass ich das merke, was bringt da die Impfung eigentlich?  

 

 

 

Die Impfung bringt nachweislich und unbestritten einen etwa 90 %igen Schutz vor Infektion, Krankenhauseinweisung und schwerem Krankheitsverlauf. Durchbruchsinfektionen bei Geimpften sind dabei meist auf die oberen Luftwege begrenzt, da die Antikörper ihre Schutzwirkung vor allem über das Blut in den inneren Organen (Lunge, Gefäße, Nieren etc.) ausüben. Daher bleiben diese Infektionen oft im Nasen-Rachenraum begrenzt ohne wesentliche Symptome. Die Viren können aber über die Ausatmung, Husten etc. andere Menschen anstecken.

Der 90%ige Schutz auf dem Boden von Antikörperbildung hält bei Immungeschwächten, alten und vorerkrankten Menschen jedoch oft nur 6-9 Monate an, weshalb alle Mitbürger nach 6 Monaten eine dritte Impfung, die sogenannte Boosterimpfung erhalten sollte. Auf diese hin bildet der Körper eine anhaltende und höhere Antikörperproduktion und es werden auch mehr sogenannte Gedächtnisimmunzellen (Memory Cells) gebildet, die bei jeder Infektion wieder reaktiviert werden, um dann erneut Antikörper zu bilden.

Neulich sprach ich mit einer Dame, die sagte, sie zögere sich impfen zu lassen, weil der RNA- Impfstoff ja auf einer Genveränderung basiere und man bei ihr anlässlich einer früheren Krebserkrankung einen Gendefekt festgestellt habe .

Bei dem neuartigen Impfstoff wird eine sogenannte RNA-Sequenz gespritzt, die in den injizierten Körperzellen zur Produktion eines entsprechenden Viruseiweiß führt, auf das dann die Immunabwehrzellen mit Antikörperbildung gegen das Viruseiweiß (z.B. das Spikeprotein) reagieren und so das Virus unschädlich machen. Die RNA selber wird sehr schnell in Tagen abgebaut. Es wird keine gentragende DNA-Erbsubstanz gespritzt. Ein Vergleich mit der veränderten DNA bei Krebszellen ist somit in keiner Weise gegeben. Aus diesem Grunde sind auch keine Langzeitnebenwirkungen oder Genveränderungen beim Geimpften vorstellbar, wie sie in sehr seltenen Fällen bei Virusimpfstoffen (z.B. Adenovirus) vorkommen können.

Als die selbe Dame darauf hingewiesen wurde, dass es ja noch andere Impfstoffe gibt wie z.B. Astra Zeneca (die Dame ist auch schon in den Sechzigern) sagte sie, der käme für sie auch nicht in Frage, da sie ja Krampfadern habe und Thrombosegefahr bestünde.

Bei dem Impfstoff von Astzra Zeneca (kein RNA-Impfstoff, sondern Virusimpfstoff) sind sehr selten Gerinnungsstörungen mit Thrombosen beobachtet worden, vornehmlich bei Frauen unter 60 Jahren oder Patienten mit Störungen im Gerinnungssystem oder verminderten Blutplättchen und Thrombosen in der Vorgeschichte. Hier sollte man keine Impfung mehr mit dem Impfstoff von Astra Zeneca vornehmen.

Bei Patienten über 60 Jahren war die Häufigkeit der gefürchteten Thrombosen im Gehirn allerdings nicht höher als in der Normalbevölkerung und kann daher als ungefährlich bezeichnet werden. Vor allem bewirkt eine Infektion ein weit höheres Thromboserisiko als eine Impfung.

Eine alleinerziehende Mutter von 3 Schulkindern lässt sich nicht impfen, weil sie es sich nicht leisten kann wegen Krankheit auszufallen und sie Angst vor Impfreaktionen hat.
 

Gerade an diesem Beispiel zeigt sich die Fehlinformation oder auch das fehlende Verständnis der Risikoeinschätzung. Diese Frau gefährdet die Versorgung ihrer drei Kinder durch eine potentielle Infektion wegen Nichtimpfung viel mehr als durch eine Impfung. In der Bayerischen Impfkommission haben wir uns dafür ausgesprochen Alleinerziehende bevorzugt zu impfen, ebenso wie Eltern von gefährdeten, vorerkrankten jungen Kindern, die man selber nicht impfen kann/konnte um so die Kinder vor Ansteckung und gefährlicher Infektion zu schützen.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein und besteht wirklich die Gefahr der Überlastung von Kliniken?

Die aktuellen Inzidenzwerte und deren hoher Anstieg mit Plateau über die letzten Tage wird mit einer Verzögerung von 10-14 Tagen entsprechende Anstiege der Klinikeinweisungen und insbesondere der Intensivpatienten bringen. Es sind aber jetzt schon viele Intensivstationen gerade in Bayern am Limit der Belastung der Pflegenden, ja es werden schon Intensivpatienten in andere Bundesländer verlegt und es droht ein echte Katastrophe, wenn diese Welle nicht zügig gebrochen wird. Zum lange bestehenden Intensivpflegemangel kommt die Erschöpfung der Mitarbeiter durch die langanhaltende Pandemie, teilweise ein Abgang an Mitarbeitern und die Frustration ungeimpfte Patienten zu behandeln und gleichzeitig dringliche andere Patienten aufschieben zu müssen.

Professor Jauch, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und hoffe, dass wir damit doch noch den einen oder die andere davon überzeugen können, sich impfen zu lassen.

Carola Walla