„Es ist Feierabend, das Tagwerk ist vollbracht“, hieß es am 21. Januar im Waldfriedhof Germering für unseren Mar­tin.
Martin Roth wurde am 30.7.1912 in Schwarzenberg / Erzgebirge geboren. Sein Vater war im Eisenbahnbetriebs-dienst beschäftigt, und so war der beruf­liche Werdegang des 9. von 10 Kindern bereits vorgezeichnet.
Er besuchte die Volksschule und das Realgymnasium und machte 1933 das Abitur.
Es folgten zwei Jahre an der Handels­hochschule in Leipzig. Danach begann die dreijährige Ausbildung zum Reichs­bahninspektor bei der Direktion Dresden. Er wurde zunächst an verschiedenen Bahnhöfen im damaligen Sudetenland beschäftigt.

Am 15.10.1938 heiratete er seine Hil­degard und am 20.10.1939 wurde Sohn Ullrich, in Saaz an der Eger, geboren.
Im Frühjahr 1941 ging Martin Roth als Bahnhofsvorstand nach Lengenfeld im Vogtland, die Familie zog dahin mit um.
Erst kurz vor Ende des Zweiten Welt­krieges, im September 1944, wurde er zum Militär eingezogen und im März 1945 durch einen Oberarmschuss ver­wundet, in einem Feldlazarett notdürftig versorgt und in die Heimat entlassen, die er per Anhalter und zu Fuß erreichte.
Nach Kriegsende trat er zunächst wieder seinen Dienst in Lengenfeld an, wurde dann im September 1952 als Dienststellenleiter zum Bahnhof Jüterbog im Bereich der Direktion Berlin versetzt.
In der damaligen DDR waren auch Führungskräfte, wie der Leiter eines großen Bahnhofs, von Partei- und Gewerkschaftsfunktionären umgeben, die auf die Linientreue des Chefs zu ach­ten hatten.
Da Martin sich standhaft weigerte, der SED beizutreten, und außerdem wäh­rend seiner dienstlichen Tätigkeit in Jüter­bog mehrfach Mitarbeiter von Besuchen in der Bundesrepublik nicht mehr in die DDR zurückkehrten, sah ihn die Partei als Gegner des Arbeiter- und Bauernstaates und der Staatssicherheitsdienst verhaf­tete ihn.
Trotz vieler Vernehmungen konnte ihm aber kein Vergehen nachgewiesen werden und so wurde er im Dezember 1956 aus der Haft entlassen, allerdings mit einer Versetzung auf eine kleinere Dienststelle in Berlin.
Deshalb sah er 1959 in der Flucht nach Westberlin die einzige Möglichkeit, dem weiter anhaltenden politischen Druck zu entkommen. Über mehrere Flüchtlings­lager verschlug es ihn dann nach Mün­chen, wohin ihm die Familie 1960 folgte.
Zunächst fand er hier Beschäftigung in der kaufmännischen Abteilung bei Sie­mens. Erst als er 1963 die Anerkennung als politischer Flüchtling erhielt, wurde er von der Deutschen Bundesbahn wieder in den Beamtendienst übernommen. Ab dieser Zeit bis zu seiner Pensionierung 1975 war er bei der Verkehrskontrolle für den Internationalen Güterverkehr in Trier beschäftigt. Hier lernte er auch seine zweite Ehefrau kennen.
Neben der Liebe zu seinem Beruf als Eisenbahner gab es für ihn nichts Schö­neres als Reisen, vor allem in ferne Län­der, über die er uns selbst noch im hohen Alter detailgenau berichtete.
Nach mehr als 30 Jahren im schönen Moselland zog es ihn 2005 zurück nach Bayern, in die Nähe seines Sohnes und der Enkel. Bedingt durch die fortschreitende Demenzerkrankung seiner Frau wurde das Senioren- und Pflegeheim Curanum für beide eine neue Heimstatt.
Martin RothBei den zahlreichen Veranstaltungen, Ausflügen und Reisen, die hier von uns, dem CBF, organisiert und betreut wurden, war er immer mit Begeisterung dabei. Ein besonderes Erlebnis war für ihn unsere Wochenfahrt nach Oberwiesenthal im Erzgebirge, wo er auch von seinem Sohn Ulli begleitet wurde. Es wurden viele Erin­nerungen geweckt, die er lebendig und kurzweilig erzählen konnte. Der Höhe­punkt war für ihn unsere Fahrt mit der Fichtelbergbahn. Völlig überraschend wurden wir am Bahnhof vom Geschäfts­führer, Herrn Roland Richter, begrüßt. Die Erfassung der Fahrgastzahlen der Schmal­spurbahnen, der Fichtelbergbahn sowie der Lößnitzgrundbahn zusammen hatte nämlich ergeben, dass genau mit unserer Bahnfahrt der 2.222.222 Reisende die Bahnen benutzen würde. Am 9. Juli 2008 gegen 10.00 Uhr wurde uns daher die Ehre zu teil, der 2.222.222 Fahrgast seit Bestehen der SDG zu sein. Die gesamte Gruppe wurde zur Fahrt auf der Fichtel­bergbahn eingeladen und erhielt neben einem schönen Blumenstrauß mit symbo­lischer Fahrkarte, auch ein Basecap, einen Fahrtengutschein sowie ein Holzrelief als Erinnerung an die Fichtelbergbahn.
In der Gruppe befand sich unser erz­gebirgischer Eisenbahnfan Martin Roth, der mit seinen 96 Jahren flink auf den Führerstand stieg und eine Lokomotivmit­fahrt genießen durfte.
Auch für 2010 hatte er sich schon für alle Unternehmungen angemeldet. Lei­der kam eine andere Reise, seine letzte, dazwischen.– Die Folgen eines Sturzes mit einem kurzen Klinikaufenthalt been­deten, für ihn viel zu früh, sein Leben am
18. Januar 2010, im Alter von 97 Jahren.
Mit Martin Roth verlieren wir nicht nur ein CBF Mitglied und einen treuen Reiseteilnehmer, sondern einen echten Freund und kritischen Berater.
Martin, du wirst uns fehlen! Wir sind aber nicht traurig, dass du uns verlassen hast, nein wir sind glücklich, glücklich dass wir fünf Jahre mit dir beisammen sein durften.

Hermann Sickinger