„Papier ist geduldig.“ – „Nur wer schreibt, der bleibt.“ So gegensätzlich diese beiden Aussagen in ihrem Kern auch sein mögen, so zutreffend scheinen sie die Aktivitäten unseres Gesetzgebers zu charakterisieren. Allein mehr als dreitausendeinhundert Seiten umfasst das Bundesgesetzblatt Teil I 2008, also die Publikation, in der alle Gesetze und Verordnungen veröffentlicht werden, bevor sie in Kraft treten – und 2009 wird der Gesetzgeber keineswegs zurückhaltender sein, da das Blatt schon jetzt mehr als zweitausend Seiten zählt. Nicht nur Laien verlieren da leicht den Überblick, zumal eine Vielzahl der neuen Rechtsakte eher abgelegene Fragen betreffen. Zeitungen und Fernsehnachrichten berichten darüber hinaus häufig über Entscheidungen des Bundestages und diskutieren Konsequenzen und Reichweite der solchermaßen beschlossenen Regelungen zu einem Zeitpunkt, zu dem das Gesetzgebungsverfahren noch gar nicht ganz abgeschlossen ist, da der Bundesrat ebenfalls mitwirken muss und im Extremfall seine Belange in einem Vermittlungsausschuss geltend machen kann – mit den möglicherweise daraus resultierenden Abänderungen. Außerdem unterzieht der Bundespräsident vor der erforderlichen Unterzeichnung eines Gesetzes dieses einer Prüfung auf seine verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit, was in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrmals zur Verweigerung der Unterschrift geführt hat. Schließlich kann das Inkrafttreten einer Regelung im Bundesgesetzblatt noch gesondert bestimmt werden. Ob ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz auch so in Kraft tritt und wann dies der Fall sein wird, ist also keinesfalls ausgemacht. Mit der mit dieser Ausgabe beginnenden Kolumne soll daher zum einen etwas Licht in das Dunkel gesetzgeberischer Hyperaktivität durch die Vorstellung spezifisch die Belange behinderter Menschen betreffender Gesetze gebracht werden. Oft handelt es sich dabei ja um Sachverhalte von grundlegender Bedeutung. Man denke beispielsweise an das (soeben im Bundesgesetzblatt, Teil I vom 4. August 2009 verkündete, in wesentlichen Teilen aber noch nicht in Kraft getretene) Gendiagnostikgesetz, mit dem auch vorgeburtliche genetische Untersuchungen reglementiert werden, die Änderung des Schwangerschaftkonfliktgesetzes oder das Gesetz über die Patientenverfügung. Andererseits soll an dieser Stelle ausnahmslos das endgültige Ergebnis gesetzgeberischen Handelns vorgestellt werden, weshalb zum anderen nur Regelungen erörtert werden, die bereits im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden und deren Inkrafttreten in dieser Form daher abzusehen ist. Dasselbe gilt natürlich auch von Verordnungen, soweit sie von Interesse sind.

Gesetzesauslese: Der Segway im Strassenverkehr

Seit einiger Zeit kann man bei ganz unterschiedlichen Gelegenheiten ein neuartiges elektronisches Gefährt zur Bewältigung sonst übermäßig langer Fußwege beobachten: auf Flughäfen wird es vom dortigen Bodenpersonal benutzt, um von einem Terminal zum anderen zu gelangen, findige Veranstalter bieten Sightseeing- Touren in europäischen Städten (auch in München) an und die Polizei einzelner Länder setzt es sogar für Patrouillen ein.
Dabei handelt es sich um den von der amerikanischen Firma Segway hergestellten und auch danach benannten Segway Personal Transporter oder – kurz – Segway. Dieses Gefährt ähnelt n etwa einem herkömmlichen Roller, nur dass die beiden Räder nebeneinander angeordnet sind und der Fahrer zwischen diesen beiden Rädern auf einer Plattform steht und sich an einer Lenkstange festhält. Auch gibt es weder Gas noch Bremsen, sondern alles wird ausschließlich durch Gewichtsverlagerungen gesteuert, wobei das Fahrzeug durch eine Computersteuerung im Gleichgewicht gehalten wird. Neben den oben bereits näher beschriebenen Einsatzmöglichkeiten eignet sich dieses Gerät natürlich auch hervorragend für all diejenigen, die selbst nicht mehr ganz so mobil sind, auf diese Weise aber ihre Beweglichkeit erhalten oder steigern möchten.
Bislang bewegte man sich bei der Benutzung eines solchen Segways im Straßenverkehr aber in einer rechtlichen Grauzone. Braucht man dafür einen Führerschein oder genügt eine kurze Einweisung (vom Verkäufer oder Veranstalter von Touren)?
Kann der Segway nur auf privatem Gelände oder auch im öffentlichen Straßenraum benutzt werden und wenn ja, auf der Fahrbahn oder wo sonst?
Schließlich, wie muss der Segway ausgestattet sein (Nummernschild, Beleuchtung und ähnliches)?
Dies wurde jetzt durch die Verordnung über die Teilnahme elektronischer Mobilitätshilfen am Verkehr und zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und der Fahrzeug-Zulassungsverordnung vom 16. Juli 2009 geändert (Bundesgesetzblatt, Teil I vom 24. Juli 2009, S. 2097 ff – BGBl. I, 2097 ff), die die als elektronische Mobilitätshilfe zu verstehenden Fahrzeuge definiert und sie als Kraftfahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrsordnung qualifiziert. Danach darf man nicht so ohne weiteres mit einem solchen Fahrzeug fahren: die Fahrzeuge benötigen eine Einzel- oder Typengenehmigung und müssen darüber hinaus ein Versicherungskennzeichen führen. Zudem muss der Fahrer mindestens einen Mofaführerschein besitzen. Weiterhin enthält die Verordnung präzise Vorgaben bezüglich der Beleuchtung der Mobilitätshilfe (§ 5 der Verordnung) und schreibt zwingend eine Glocke vor (§ 6). Am wichtigsten erscheint jedoch die Vorschrift des § 7, wonach die Mobilitätshilfe grundsätzlich einem Fahrrad gleichgestellt wird: sie wird auf Schutzstreifen oder Fahrradwege, Radwegstreifen oder –furten verwiesen und soll nur bei Fehlen solcher Einrichtungen die Fahrbahn benutzen.
Damit besteht jetzt endlich Klarheit über die Rechtslage bei Benutzung eines Segways. Dies mag zu einer weiteren Verbreitung des in vielen Fällen sehr nützlichen Gefährts führen. Das größte Hindernis bleibt für viele allerdings bestehen: der stolze Preis von mehreren tausend Euro wird es weiterhin nur sehr wenigen erlauben, sich ein solches Fahrzeug anzuschaffen.

Wolfgang Vogl