Seit dem Jahre 1990 regelt ein eigenes Gesetz die rechtliche Stellung des Embryos: das Embryonenschutzgesetz. Dieses Gesetz enthält unter anderem auch eine Strafandrohung für den Fall, dass ein extrakorporal erzeugter Embryo dann nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft bei der Frau eingesetzt wird, von der die Eizelle stammt. In ungefähr dieser Zeit begann sich die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) zu entwickeln, die anhand von pluripotenten Zellen eines extrakorporal erzeugten Embryos, d.h. nicht zu einem lebensfähigen Organismus entwicklungsfähigen Zellen, Untersuchungen durchführen kann, wonach sich Chromosomenanomalien der entsprechenden Zellen und mithin der jeweiligen Embryonen feststellen lassen.
Dies vorausgeschickt, wandten sich in den Jahren 2005 und 2006 drei Paare an einen Frauenarzt mit Schwerpunkt Kinderwunschbehandlung, bei denen jeweils einer der Partner genetische Belastungen aufwies. Diese waren in allen drei Fällen so gravierend, dass sie jeweils zu einer Weitergabe der genetischen Belastung hätten führen können, mit der Folge eines Aborts, einer Totgeburt, eines Versterbens des Säuglings nach der Geburt oder der Geburt eines behinderten Kindes. Obiger Arzt führte daher wunschgemäß eine PID durch und übertrug jeweils nur Embryonen ohne genetische Anomalien, wohingegen solche mit Anomalien nicht weiter kultiviert wurden und daher abstarben.
Auf eine Selbstanzeige des Arztes hin wurde zwar dann ein Strafverfahren eingeleitet, das aber mit einem Freispruch endete. Die von der Staatsanwaltschaft daraufhin eingelegte Revision gegen dieses Urteil des Landgerichts Berlin hat der BGH jetzt verworfen (Urteil vom 06.07.2010, Aktenzeichen: 5 StR 386/09). Zu diesem Ergebnis kommt der BGH, indem er zunächst unter Zugrundelegung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes und mangels entgegenstehenden Wortlauts der in Frage kommenden Strafvorschriften die PID als für sich gesehen zulässig, also nicht strafbar, ansieht. Weiterhin führt die Anwendung der PID zu Ergebnissen, die der Gesetzgeber bei Eltern mit genetischen Belastungen im Rahmen einer Pränataldiagnostik vorzeichnet (d.h. die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs), so dass von einem Verbot durch den Gesetzgeber nicht ausgegangen werden kann, hätte diese Technik zum Zeitpunkt des Gesetzeserlasses bereits zur Verfügung gestanden.
Dass es sich bei dieser Entscheidung um eine äußerst schwierige Gratwanderung handelt, zeigt der BGH selbst, wenn er ausdrücklich betont, dass diese Erwägungen nur bei einer PID bei schwerwiegenden genetischen Schäden zur Vermeidung der oben erörterten Risiken gelten, nicht aber bei einer unbegrenzten Selektion von Embryonen für ein „Kind nach Maß“.
Wolfgang Vogl