Als Kinder haben wir alle sprechen gelernt. Von unseren Eltern, Großeltern, Geschwistern, Freunden, später in der Schule, von Lehrern. Wir lernten, was die Wörter bedeuten und wie man sie gebraucht. Es gab auch unbekannte Wörter, die kamen in Büchern vor oder in Geschichten, man konnte die Bedeutung herausfinden.

Ganz ohne Fallstricke war das nicht. In der Volksschule, wie man sie früher nannte, vierte Klasse, sprach ich ganz so wie meinen männlichen Mitschülern von den Mädchen in der Klasse als den „Weibern“. Ich weiß nicht, ob es diskriminierend gemeint war, das Wort „Weib“, das ursprünglich eine vornehme Frau bezeichnete, ist sprachlich abgesunken, „Weiber“ klang eher abschätzig. Meine damalige Lehrerin redete mir ins Gewissen, ob ich etwa wollte, dass man von meiner Mutter so spreche. Jedenfalls verwendete ich das Wort dann nicht mehr für meine Mitschülerinnen.

Gesellschaftsschichten, Klassen, Berufe haben ihre jeweils spezifische Sprache. Die Jugend hat ihre eigenen bevorzugten Wörter. Früher, also ganz früher, sagte man zum Beispiel „klasse“, oder sogar berlinernd „knorke“, wenn man etwas gut fand. Würde heute keiner mehr verstehen, später sagte man „geil“, ein Wort, das eigentlich nicht erlaubt war, bis es sich durchsetzte und sogar die Werbung es mit dem Slogan „Geiz ist geil“ salonfähig machte.

Schreibmaschine, der Text "Black Lives Matter" ist groß darauf geschrieben.Dann kam die politisch korrekte Sprache auf. Sprache sollte nicht diskriminieren. Alle sollten gleichermaßen berücksichtigt werden. Zunächst ging es um Diskriminierung von Frauen, die durch das „Deutsch als Männersprache“ – so der Titel eines Buches von Luise F. Pusch – nicht gebührend sichtbar waren. Heraus kam am Ende das Gendern mit Erscheinungen wie Mitarbeiter_Innen, Lehrer;Innen, Schulleiter*innen usw.

Im Kampf gegen den sogenannten „Genderwahn“ tun sich besonders die Rechten, ob CSU oder AfD hervor. Sie reden von Sprachpolizei. Als ginge es darum, den Untergang des Abendlandes zu verhindern.  

 

Die Frauen sind keine Minderheit, sondern mindestens die Hälfte der Gesellschaft. Kritisch wird es, wenn es um Minderheiten geht. Kennzeichnend ist der Umgang mit dem „N-Wort“, also dem Wort „Neger“. Das kommt aus dem Lateinischen, heißt Schwarzer und bezeichnet die dunkle Hautfarbe. Es wurde oft herabsetzend und beleidigend gebraucht („Neger, Neger, Schornsteinfeger“), man kann verstehen, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe nicht so genannt werden wollen. Doch auch „schwarz“ wird teilweise als diskriminierend angesehen. Was macht man da? Als politisch korrekt gilt heute der Begriff „Person of Colour“, also „farbige Person“.Ich finde es übertrieben, eine englische Wortkombination für etwas zu verwenden, das Schwarzer oder meinetwegen Farbiger ebenso ausdrückt. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts hat die Bürgerrechtsbewegung für Schwarze den Slogan „Black is beautiful“ verwendet und heutzutage im Kampf gegen die rassistische Unterdrückung durch die Polizei die Parole „Black Lives matter“, Schwarze Leben zählen. 

Das Imperium schlägt zurück. In den USA wird seit dem Amtsantritt von Trump gegen „politisch korrekte“ Begriffe staatlicherseits vorgegangen, Worte wie Inklusion zum Beispiel dürfen nicht mehr verwendet werden. Da kann man nun wirklich von einer Sprachpolizei sprechen.

In meinem Studium habe ich mich einmal mit der Sprachpolitik der Nazis beschäftigt. Da wurde vom Staat vorgegeben, wie die Zeitungen zu schreiben hätten (so wie es Trump macht, indem er vorschreibt, dass der Golf von Mexiko Golf von Amerika genannt wird, und wer nicht spurt, fliegt aus der Pressekonferenz). Ich erinnere mich zum Beispiel daran, gelesen zu haben, dass das Wort „Luftschutzkeller“ nicht verwendet werden durfte, sondern es musste „Luftschutzraum“ geschrieben werden. Das klang nicht so düster, sondern heimeliger. Die Sache blieb dieselbe.

In den Untersuchungen zu dem Thema stand allerdings, dass diese Sprachpolitik im Großen und Ganzen erfolglos blieb.

Wir haben hierzulande noch nicht die staatliche Sprachlenkung. Trotzdem ist bemerkenswert, wie schnell sich Rundfunkanstalten, Presseorgane, Verlage auf das einstellen, was offensichtlich gewünscht ist. Übrigens wird es manchmal sogar probiert, die Stadt München schreibt für ihre Behörden das Gendern vor.

Nehmen wir den Namen unseres Vereins: Club Behinderter und ihrer Freunde. Manche finden den Namen antiquiert. Heute sagt man schließlich Menschen mit Beeinträchtigungen oder zum mindesten behinderte Menschen. Und überhaupt, das Wort „Behinderter“ wird ja auch als Schimpfwort verwendet. So wurde mir einmal berichtet, wie eine Gruppe Jugendlicher über Leute, diese sie heruntermachte, sagte, „der oder die ist behindert“.

Aber was wäre gewonnen, wenn wir auf den Begriff verzichten? Wir berufen uns ja auch auf die Behindertenrechtskonvention und finden es gut, dass Behindertenparkplätze nicht zugeparkt werden. Ich finde, man kann sich da an der Schwulenbewegung ein Vorbild nehmen (die hyperkorrekten Leute sprechen heute von queeren Menschen). Die Bewegung ging in die Offensive und verwendete das bisweilen als Schimpfwort gebrauchte „schwul“ ganz normal. Muss das geändert werden? Ist etwas gewonnen, wenn man nicht mehr schwul sagt, sondern queer?

Nennen wir die Dinge beim Namen und lassen uns nicht einschüchtern. Sprache ist lebendig und verändert sich, und wenn ein Wort wirklich nicht mehr passen sollte, werden wir klug genug sein, es nicht mehr zu gebrauchen