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Bild: CBF Archiv

Dr. Ingrid Leitner Denkmal – Vorbild – Freundin 

Im Rahmen des dieses Jahr anstehenden 50jährigen Jubiläums des CBF erscheinen in loser Folge in der Clubpost Porträts von Menschen, die den CBF geprägt haben. Ich wurde deshalb gefragt, ob ich nicht dasjenige von Dr. Ingrid Leitner übernehmen könne. Zugegebenermaßen geschmeichelt habe ich sofort zugesagt, stellte Ingrid doch über Jahrzehnte das Gesicht des CBF dar, dachte man beim Anblick Ingrids ja sofort an den CBF und umgekehrt bei der Nennung des CBF sofort an Ingrid. 

Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, wie schwer eine Annäherung an Ingrid im Rahmen eines Porträts ist. Wer etwas über ihren Lebensweg, Ausbildung, berufliche Entwicklung und die Gründung des und Arbeit im CBF erfahren möchte, kann noch heute, über sieben Jahre nach ihrem Tod, durch eine einfache Google-Anfrage in einer Vielzahl von Artikeln alle nur denkbaren Informationen über Ingrid Leitner abrufen. Wer hingegen Ingrids eigene Sicht kennenlernen möchte, dem sei die Autobiografie „Das Leben der Sternentaucherin“ empfohlen. Darin beschreibt sie den Weg eines Mädchens vom ersten Auftreten von Polio hin zur Entwicklung einer selbstbewussten Frau. Wir haben das Buch im Büro und wer Interesse hat, kann es jederzeit gerne ausleihen. 

Meine Annäherung sah hingegen wie folgt aus: 

Bild: CBF ArchivEtwa 2005/2006 meldete ich mich bei der Münchner Freiwilligen-Agentur Tatendrang, weil ich mich ehrenamtlich engagieren wollte. Da ich in jenen Jahren aus gesundheitlichen Gründen noch nicht so mobil war, sollte es etwas sein, was ich überwiegend zu Hause am PC machen könnte – übersetzen, schreiben oder etwas derartiges. Nach einiger Zeit bekam ich einen Anruf von Tatendrang, der Verein CBF suche jemand für seine Mitgliederzeitschrift, die Clubpost. Ich solle zur weiteren Vereinbarung mit dessen Büro Kontakt aufnehmen. In einem Telefonat mit Carola Walla wurde dann ein erstes Treffen in der Pfennigparade vereinbart. Man muss dazu wissen, dass sich der CBF damals jeden Montagabend in der Pfennigparade zu einem Clubabend traf, der häufig ein besonderes Programm hatte, aber auch nur der Diskussion des Tagesgeschehens beim CBF dienen konnte. Bei meinem Erscheinen zu jenem ersten Treffen wurde ich von Carola Walla und anderen der damaligen Mitarbeiterinnen des CBF begrüßt und informiert, in Erinnerung ist mir aber vor allem die Erscheinung einer sehr gepflegt wirkenden Dame um die 60 im E-Rolli geblieben, die das Treffen leitete und durch Würde und Autorität beeindruckte. Die Doktorin oder die Vorsitzende wurde Ingrid von vielen Mitgliedern genannt – dabei war der Vorstand auch zu jener Zeit ein mehrköpfiger und auch damals gab es unter den geschäftsführenden Vorständen kein Rangverhältnis. Auch war Ingrid nicht die einzige promovierte Playerin beim CBF. Die Anrede war vielmehr dem Umstand geschuldet, dass Ingrid durch Intellekt und Lebenserfahrung Fixpunkt und Kompass im CBF war – für alle Mitglieder und die übrigen Vorstände. Hinsichtlich meines ehrenamtlichen Engagements bei der Clubpost wurden wir schnell handelseinig und ich sollte deren redaktionelle Leitung übernehmen, die ich bis Dezember 2021 innehatte. In dieser Eigenschaft konnte ich Ingrid auch von anderen Seiten kennenlernen: Sie war ein zuverlässiger Teamplayer – als Verfasserin des monatlichen Editorials der Clubpost haben wir ständig kooperiert und uns ausgetauscht –, Ratgeberin bei inhaltlichen Fragen und Autorin zahlloser Beiträge. 

Nach einiger Zeit fragte mich Ingrid, ob ich nicht Mitglied werden wolle und wiederum einige Zeit später, ob ich mir nicht das Amt eines Vorstandes zutrauen würde. Ich sagte beide Male zu und so wickelten wir 2011 die Abspaltung des CBF Germering ab und konnten 2014 eine große Änderung der Vereinssatzung stemmen. Ohne Ingrids logistische Unterstützung (bis 2017 fanden alle Vorstandstreffen in Ingrids Wohnung statt, wobei Ingrid für aller leibliches Wohl sorgte.) und ihre Beharrlichkeit wäre dies niemals so reibungslos über die Bühne gegangen. 

Ingrid war nicht nur Gründungsmitglied 1974, sondern ab diesem Zeitpunkt ununterbrochen bis zu ihrem Tod 2017 auch im Vorstand. Seit ich sie kenne, hat sie bei den meisten Veranstaltungen des CBF wie Podiumsdiskussionen, Festen oder Mitgliederversammlungen die Moderationen übernommen, regelmäßig Führungen in Ausstellungen oder Museen angeboten und in so genannten erweiterten Vorstandssitzungen in größerem Kreis über Entwicklungspotentiale des CBFs diskutiert. 

Das von Ingrid selbst benutzte Bild, wonach der von ihr mitgegründete CBF ihr Kind sei, ist daher weder pathetisch noch abgegriffen, sondern entspricht der Wirklichkeit. 

Tempora mutantur, nos et mutamur in illis, wie sagt dieses lateinische Sprichwort so treffend: Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen. Wie auch immer wir sie nannten – Dr. Ingrid Leitner, Ingrid Leitner, Ingrid – sie ist bereits seit sieben Jahren tot. Im März 2017 verstarb sie nach einer schweren Atemwegsinfektion in München. Mittlerweile kennen nicht einmal alle Mitarbeiter und Vorstände Ingrid persönlich, denn auch beim CBF hat ein Generationenwechsel stattgefunden. Im Büro zeugt aber nicht nur ihr Foto von ihrem langjährigen Einsatz, mir kommt es vielmehr jedes Mal ein wenig so vor, als durchwehe ihr Geist immer noch die Räume. 

Wolfgang Vogl