Wer mich kennt, weiß, dass ich bekennender Italienliebhaber bin. Und so fahre ich normalerweise mehrmals jährlich ins Land, wo die Zitronen blühn, wo ich mich inzwischen genauso zu Hause fühle wie hier. Technisch gesehen war eine Reise nach Venedig vor Corona ebenso unkompliziert wie nach Frankfurt, da Italien als Schengen-Staat keine Grenzkontrollen durchführte und auch ansonsten keine Formalitäten zu beachten waren. Die Pandemie hat auch dies grundlegend geändert: Italien war das erste europäische Land, das von Corona Anfang 2020 mit voller Wucht getroffen wurde und die Fotos von den mit Särgen beladenen, aus Bergamo fahrenden Armeefahrzeugen haben allen vor Augen geführt, welche apokalyptischen Auswirkungen Corona hat. Mittlerweile sind eineinhalb Jahre vergangen, aber Reisen nach Italien ist nach wie vor etwas kompliziert.



Die Buchung meiner (Bus-)Fahrt nach Mailand war zwar nach zwei Klicks erledigt, die Buchungsbestätigung wies aber ausdrücklich auf die jeweiligen Einreisebestimmungen hin, um die man sich eigenverantwortlich zu kümmern habe. Also suchte ich per Google auf der Homepage der italienischen Botschaft in Deutschland nach den Einreisebestimmungen (alternativ bieten auch das Auswärtige Amt oder der ADAC Informationen). Da ich zum Zeitpunkt von Buchung und Reise zweimal geimpft war, war neben einem Impfnachweis (den ich im Mobiltelefon und auf Papier mitnahm) nur noch eine Einreiseregistrierung notwendig, also das Ausfüllen eines Online-Formulars, in dem man unter anderem Angaben zum Grenzübertritt und zur Aufenthaltsadresse in Italien macht. Was in der Theorie ganz simpel klingt, ist in der Praxis aber dann doch komplizierter. Ich jedenfalls habe mehrmals ein Häkchen nicht oder falsch gesetzt, woraufhin einzelne Fragen nicht aufpoppten und die bestätigte Registrierung falsch bzw. lückenhaft war, so dass die Angabe nochmal korrigiert werden mussten. Im Ergebnis war die Prozedur dann doch zeitaufwendiger als gedacht.

Ob und wie Impfung und Einreiseregistrierung dann kontrolliert werden würden, wusste ich natürlich nicht, so dass ich auch mit allen Papieren in der Tasche zunächst ein seltsames Gefühl hatte, ins Ausland zu reisen – ähnlich wie bei einem Grenzübertritt nach Ostberlin vor 1989, bei dem man objektiv zwar nichts zu befürchten hatte, aber dennoch jederzeit damit rechnete, vom Grenzbeamten ausgesiebt und festgehalten zu werden. Diese Befürchtung war zum Glück vollkommen unbegründet und abgesehen von der Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske während der gesamten Fahrt war diese genauso unspektakulär wie unzählige Fahrten vor der Pandemie, insbesondere erfolgten keine Grenz- oder sonstigen Kontrollen.  

Genauso unspektakulär war auch die Fahrt vom Busbahnhof in die Mailänder Innenstadt per U-Bahn. Wer auch in München auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, wird sich fast wie zu Hause fühlen: Maskenpflicht in allen Verkehrsmitteln, auf U-Bahnsteigen und in Untergeschossen, ständige Erinnerung daran per Durchsagen und gekennzeichnete Laufrichtungen allenthalben. Im Unterschied zu München sind diese und auch die Orte, an denen man am Bahnsteig zu stehen hat, allerdings geradezu exzessiv am Boden per Aufkleber angebracht.

Da ich während meiner Woche in Mailand bei Freunden „untergebracht“ war, blieben mir coronabedingte Besonderheiten erspart, die sich aus einer Unterbringung in einem Hotel ergeben, und ich konnte mich auf die Gestaltung meiner Urlaubswoche konzentrieren. Alles in allem hatte ich den Eindruck einer angenehmen Gelassenheit, eines Alltags, in dem das Virus und seine Gefahren ernst genommen werden, man aber nicht den Kopf verliert und hysterisch wird. Allerdings: Man sollte im Vorfeld planen, was genau man an jedem einzelnen Tag machen möchte, ob dies möglich ist und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Ich habe es immer genossen, in einer kulturell so pulsierenden und vielfältigen Stadt wie Mailand vieles spontan zu entscheiden und mich dabei auch ein Stück weit treiben zu lassen. Die Zeiten sind bis auf Weiteres vorbei. Das Zauberwort der Stunde heißt Online-Anmeldung. Für viele Orte wie das stylische Freibad „Bagni misteriosi“ oder die sehenswerten Ausstellungen im Palazzo Reale ist eine solche zwar nicht Pflicht, man riskiert aber lästiges und zeitaufwendiges Anstellen. Andere Orte wie die Kirche San Maurizio oder das Museum für zeitgenössische Kunst, Pirelli Hangar Bicocca, verlangen hingegen eine obligatorische Online-Anmeldung. Wenn man Glück und Internet im Ausland hat, kann man die auch vor Ort noch machen, muss aber dann wiederum womöglich auf ein offenes Zeitfenster warten. Nur ganz wenige Kirchen können „einfach so“ betreten werden. Ich glaube, es ist bereits deutlich geworden: Reisen zu Zeiten von Corona ist ohne Weiteres möglich, eine gute und umfassende Planung vor Antritt ist aber wichtiger denn je. Am besten, man überlegt sich für jeden Tag ein Programm, recherchiert dann, unter welchen Voraussetzungen man die gewünschten Orte besuchen kann und nimmt dann erforderliche Buchungen vor. Wenn die weitgehende Festlegung des Tagesablaufs durch die notwendigen Online-Buchungen dennoch nicht zum Korsett wird, so ist dies einer sympathischen Elastizität vieler Mailänder geschuldet, die dann doch Dinge möglich macht, die eigentlich unmöglich wären. In jedem Fall sollte man genügend Freiräume belassen, um sich durch die Stadt treiben zu lassen, auf der Suche nach neuen Entdeckungen, denn sie ist wunderschön – auch in Zeiten von Corona.

 

P.S.: Ich habe meine Reise nach Mailand in der zweiten Julihälfte unternommen. Seit 6. August gelten strengere Regeln für den Besuch von Museen, Ausstellungen, Veranstaltungen und den Innenräumen der Gastronomie. Vor Antritt einer Reise nach Italien sollte sich also jeder über die aktuell geltenden Bestimmungen informieren!

Wolfgang Vogl