Corona-Zeit. Was tun, wenn so vieles nicht erlaubt ist? Ich denke mir, frische Luft und ein bisschen Tapetenwechsel bügeln die durch den Corona-Lockdown etwas zerknautschte Seele wieder glatt, und schnappe meine Golden-Retriever-Hündin Laura zu einem Spaziergang in den Englischen Garten. Ich gebe zu, im Sommer fällt es mir leichter! Jetzt muss ich mich schon überwinden und mit dem inneren Schweinehund kämpfen. Temperaturen unter 10 Grad plus waren noch nie meine große Leidenschaft. Jetzt nicht zaudern und zagen, sondern wacker in den Anorak geschlüpft, Mütze auf, den Elektrorollstuhl angeschmissen und raus geht´s. Der Hund findet es super. Endlich passiert was, gibt es tolle Düfte zu schnuppern und andere Hunde zu treffen. Von meinem Zuhause geht es in Richtung Ungererstraße, die überquert werden muss. Dann weiter geradeaus zur Brücke über den Mittleren Ring. Wenn wir da hinüber sind, ist es nicht mehr weit. Wir müssen noch über die Osterwaldstraße und schon gibt es das erste Problem – der Tante Emma-Laden, bei dem Laura immer mal wieder ein Wienerwürstl bekommt. Natürlich will sie keinen Schritt weitergehen, bevor sie nicht bekommen hat, was sie sich so dringend wünscht. Ich kann sie nur durch Festmachen an der Leine überzeugen und natürlich ist sie beleidigt. Das vergeht aber schnell wieder, denn jetzt sind wir schon im Englischen Garten und überqueren die kleine Brücke über den Eisbach. Diese Brücke ist leider zu einem unangenehmen Corona-Engpass geworden. Radfahrer, Fußgänger, Kinder, Hunde und natürlich die unvermeidlichen Jogger, alle wollen über diese Brücke und zwar zur selben Zeit. Für mich heißt das – Maske auf, denn das ist mir zu eng hier. Laura stört das nicht im Geringsten. Sie muss unbedingt ein kleines Bad nehmen, egal wie kalt es ist.  Und dann schüttelt sie sich natürlich genau neben mir. Ich fasse es nicht! Jetzt muss ich mich entscheiden, wo es heute hingeht. Ich wähle den Weg zum Isar-Wehr und dann links hinunter zum kleinen Weiher, von dem ich den Namen nicht kenne. Es ist kalt, aber die Sonne scheint. Die Bäume sind schon ganz kahl und es herrscht eine melancholische Stimmung, die durch den Sonnenschein eine kleine heitere Note bekommt. Die Luft ist frisch und tut gut. Gleich fühle ich mich lebendiger und der übermütige Hund tut das Übrige. Vorbei an der uralten Weide, die erst vor ein paar Wochen endgültig den Widerstand gegen den endgültigen Verfall aufgegeben hat. Sie liegt, von einem Zaun umgeben, hingestreckt auf der Wiese. Jetzt ist sie ein wohliges Zuhause für viele Insekten. So ist der Lauf der Dinge, geht mir durch den Kopf und mir wird ganz philosophisch zumute.

Auf dem Weg zum Weiher fällt mir ein, dass ich hier vor zwei Jahren einmal am helllichten Tag einen leibhaftigen Biber gesehen habe. Er fühlte sich offensichtlich gestört durch uns und versuchte uns mit heftigen Schwanzschlägen aufs Wasser zu vertreiben. Laura war damals ganz außer sich, hin- und hergerissen zwischen Jagdfieber und ängstlichem Misstrauen. Was man alles erleben kann im Englischen Garten ist schon faszinierend! Einmal entdeckte ich auf dem Ast einer großen alten Fichte drei kleine Käuzchen, eng aneinander geschmiegt. In einem Baum ganz in der Nähe saß die Mutter oder der Vater und bewachte die Jungen. Das war unglaublich schön anzusehen, und ich werde das Bild wohl nie vergessen.
Aber jetzt weiter. Die Sonne steht schon ziemlich tief und mir wird langsam kalt. Auf zum Endspurt. Die letzte Teilstrecke ist eine beliebte Jogger-Rennstrecke. Das ist für mich jetzt in dieser Corona-Zeit wie Spießrutenlaufen. Alle paar Minuten schnauft, Aerosole ausstoßend wie eine alte Dampflok, ein Jogger an mir vorbei. Automatisch halte ich jedes Mal die Luft an und drehe den Kopf weg. Wie ermüdend. Ich bin froh, als ich die Strecke hinter mir habe. Wir sind am Ende unseres Spaziergangs angelangt, Laura ist zufrieden und läuft ganz entspannt neben mir. Es war eine sehr schöne Abwechslung, die frische Luft und der Tapetenwechsel haben mir gut getan und der Hund ist müde. Und jetzt freue ich mich auf zuhause.

Renate Geifrig