Natürlich könnte ich als Rollstuhlfahrerin auch meine Befindlichkeit während dieser ungewohnten Zeiten negativ bis zur Ohnmacht schildern.

Nur so viel: Lesen ist mein Hobby!

So erwarte ich natürlich auch unsere Clubpost, da es wieder was zu lesen gab: Aber ich erwarte kein Trauerblatt. Ich hätte es mir sparen sollen:

Nur negative Schilderungen und Beschwerden über Irgendetwas: Wer sagt mir, dass es den Betroffenen ohne Behinderungen besser gegangen wäre? Ich wäre so dankbar, wenn diese „Mitstreiter“ sich nicht so herunter machen würden. Leute: Wo wir sind, ist oben! Ihr habt doch alle Grips. Werde ich von Freunden bedauert, weil ich armes Schwein im Rollstuhl sitze, frage ich sofort nach ihren Betätigungen, ohne Rollstuhl. So viel Beneidenswertes kommt nicht herüber. Kaffeetrinken mit Freundinnen. Kurze Urlaubsreisen zu Zielen, wo ich längst schon gewesen bin. Friseur, Zahnarzt, Kreuzworträtsel mit dem Partner! Kann mich nicht aus dem Rollstuhl reißen. Ich komme mir nicht als 2. Garnitur vor. Ich möchte Euch auch hier nicht einreihen und herunterziehen lassen. Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich einmal dafür zu bedanken, dass es Institutionen gibt, die sich Gedanken über unsere Befindlichkeiten und Erleichterungen im täglichen Lebensablauf machen und zum Teil sich dafür einsetzen, dass etwas in Angriff genommen wird. Vielen reicht es nicht. Natürlich ist es immer wieder ein Kampf, etwas zu erreichen, Aber das war es ohne Behinderung und Rollstuhl auch!

Allerdings war ich vor 5 ½ Jahren auch ohne Erwartungen. Vielleicht ganz nützlich: Ich habe mir das Positive, (gibt es auch) herausgepickt. Unternehmungen, die mich vielleicht überfordern, mache ich einfach nicht. Muss ich unbedingt von Linz nach Hamburg*? Kenn ich schon längst, mein Friseur behandelt mich genauso wie früher, ohne den kleinsten Unterschied! Gala habe ich sowieso nicht unbedingt lesen müssen. Genauso meine Ärzte. Ich bin sehr zufrieden. Ich möchte mich nicht selber disqualifizieren: Wo ich bin ist oben! Ich bin auch nicht anspruchslos! Bitte verzeiht mir, wen Ihr meine schlichten Zeilen als Kritik auffasst, aber ich versteh Euer Unglück nicht. Trotzdem Ihr könnt mich ruhig kritisieren oder beschimpfen, es nützt nichts, oben, oben!

Wobei ich die Schilderung von Frau Hermelink über Ihren Ausflug mit den Töchtern entzücken fand. Danke dafür!

*mit einem Rollstuhl, der verhindert dass ich abends ins Bett komme? Armer verzweifelter Mensch!

PS: Mein Rollstuhl erleichtert mir mein Leben, keine Schmerzen, Hilfe von allen Seiten, bedauern tun mich nur die Einfallslosen meiner Freunde, mit denen ich nicht tauschen möchte.  

Ingrid Gruel