In einer Zeit, in der Lockdowns und Lockerungen kurzfristig beschlossen und abgeändert  werden, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind und dann jeweils vor Ort mit konkreten Schutz- und Hygienekonzepten ausgefüllt werden müssen, empfiehlt es sich vor dem Besuch eines Gottesdienstes, auch wenn man die Uhrzeit kennt, auf die Homepage der jeweiligen Kirche zu gehen. Dort erfährt man im Regelfall, wie der Ablauf eines Gottesdienstes jetzt organisiert ist.

Der Homepage von St. Michael in der Neuhauser Straße in München ist zu entnehmen, dass Betreten und Verlassen der Kirche nur über jeweils eines der beiden Hauptportale erfolgen kann (das Betreten über das westlich gelegene, das Verlassen über das östlich gelegene Portal), ein Zugang über den barrierefreien Eingang ist also nicht ohne Weiteres möglich, wird bei Bedarf allerdings gewährt. Die Kirche kann natürlich nur mit Mundschutz und nach Besprühen der Hände mit Desinfektionsmitteln betreten werden. Nachdem am ersten Sonntag lediglich jede zweite Reihe mit je einer Person an der rechten und linken Seite besetzt wurden (bzw. mehreren, wenn diese demselben Hausstand angehören), konnte am zweiten Sonntag auch in den bislang jeweils freigelassenen Reihen in der Mitte eine Person platziert werden. 
Wer das Hochamt in St. Michael kennt, weiß, dass diese Messen in jeder Hinsicht sehr aufwendig gestaltet sind: in der Regel mehrere Priester, acht bis zehn Ministranten, großzügiger Einsatz von Weihrauch, hochkarätige musikalische Darbietungen und eine theologisch anspruchsvolle und oftmals aufwühlende Predigt. Nicht selten hatte ein solches Hochamt daher eineinviertel bis eineinhalb Stunden gedauert. Davon ist leider nicht viel geblieben: Ein Priester betritt mit einem Ministranten die Kirche und wird nur von einem Kantor begleitet. Da der gesamte Gottesdienst nicht länger als eine Stunde dauern darf, fällt auch die Predigt entsprechend kurz aus. Und die Kommunion hat definitiv etwas Surreales, wenn sich der Priester Mundschutz und Einweghandschuhe anlegt, die Gläubigen mit Mundschutz über die Seitengänge nach vorne kommen, die Hostie und über den Mittelgang wieder zu ihren Plätzen gehen. Auch das Verlassen der Kirche ist wieder genau reglementiert und soll verhindern, dass sich dabei größere Menschenansammlungen bilden.

Aber eine Tradition hat sich doch in die Zeiten von Corona hinüberretten können: Der Organist spielt jeweils nach dem Schlusssegen ein kurzes Stück seiner Wahl. Am letzten Sonntag war es eine Toccata von Bach.

Wolfgang Vogl