Bezugnehmend auf unsere Artikel zu den Wahlrechtsausschlüssen von Menschen mit Behinderung haben wir mit einem Erstwähler, Herrn Fabian W., ein Interview geführt. Herr W. ist 25 Jahre alt, lebt in einer inklusiven Wohngemeinschaft der Lebenshilfe und arbeitet in einer Werkstatt des Caritasverbandes für Menschen mit Behinderung. Da Herr W. wegen seiner Lernschwierigkeiten einen gesetzlichen Betreuer hat, der für alle Lebensbereiche zuständig ist, durfte er in der Vergangenheit nicht an Wahlen teilnehmen. Diese Diskriminierung wurde nunmehr im Zuge positiver Entwicklungen der UN-Behindertenrechtskonvention aufgehoben. Am 26. Mai dieses Jahres hat Herr W. an der Europawahl teilgenommen.
Peter Pabst (PP): Herr W., wie wichtig war es für Sie, bei der Europawahl abstimmen zu dürfen?
Fabian W. (FW): Das war mir sehr wichtig. Ich möchte auch wählen dürfen wie alle Menschen ohne Behinderung auch.
P.P.: Wie haben Sie sich über die zur Wahl stehenden Parteien denn informiert?
F.W.: Meine Informationen hatte ich über die Zeitung, das Fernsehen, aus dem Radio und auch vom Internet erhalten.
P.P.: Was die Politik will, ist oft schwer zu verstehen. Gab es denn gute Erklärungen?
F.W.: Ja einzelne Parteien haben Informationen in leichter Sprache gehabt. Ich habe mehrere angesehen, auch das von den Grünen.
P.P.: Gab es vorher auch eine Veranstaltung, die auf die Wahl vorbereitet hat? Zum Beispiel durch die Lebenshilfe?
F.W.: So etwas wurde nicht angeboten. Es ist aber eine gute Idee!
P.P.: Im Internet kann man durch den sogenannten „Wahl-O-Mat“  herausfinden, welche Partei sich für Themen einsetzt, die dem Wähler wichtig sind. Haben Sie diese Möglichkeit genutzt?
F.W.: Nein, das habe ich nicht probiert.
P.P.: Wie haben Sie Ihre Entscheidung getroffen?
F.W.: Ich spreche darüber mit Freunden und auch mit meiner Mutter.
P.P.: Sind Ihnen die Themen der Parteien besonders wichtig?
F.W.: Ja, mir sind die Themen, für die sich die Parteien einsetzen sehr wichtig
P.P.: Welche Parteien mögen Sie denn besonders?
F.W.: Ich wähle die Grünen wegen der Umwelt.
P.P.: Sind Ihnen auch einzelne Personen bei der Wahl wichtig?
F.W.: Nein, viele kenne ich ja gar nicht!
P.P.: Glauben Sie, dass Ihre Stimme bei der Wahl, auf die Politik Einfluss nehmen kann?
F.W.: Ja meine Stimme ist auch wichtig und viele Stimmen entscheiden.
P.P.: Die nächste Wahl ist in Bayern die Kommunalwahl. Da werden Bürgermeister und Stadträte gewählt. Was müssen Politiker für München tun, damit Sie sie wählen?
F.W.: Es soll mehr Eisdielen und Orte geben, wo man sich treffen kann. Weniger Autos und ein besserer Busverkehr sind wichtig.
P.P.: Finden Sie es gut, dass die Möglichkeit besteht, einen Assistenten zur Wahl mitzunehmen? Machen Sie das auch oder nehmen Sie an der Briefwahl teil?
F.W.: Ich habe mit der Hilfe meiner Mutter dieses Mal die Briefwahl genutzt. Es ist aber auch gut, einen Assistenten mitnehmen zu können. Vielleicht mache ich das einmal.
P.P.: Was soll die Politik in der Zukunft für Menschen mit Behinderung tun?
F.W.: Es soll mehr Inklusion geben!
P.P.: Wissen Sie ob viele Ihrer Freunde bei der Europawahl auch zum ersten Mal gewählt haben?
F.W.: Nein das weiß ich nicht genau. Ich glaube nicht. Das wäre aber gut.
Nach dem Interview erhielten wir noch eine Information der Mutter von Herrn W., die uns schilderte, wie hürdenreich auch diesmal der Weg war, wählen zu dürfen. So musste der Wahlbenachrichtigungsschein erst beim Amt geholt werden. Dort wussten die Mitarbeiter aber alle nicht Bescheid. Man musste sich intensiv bemühen, da es noch kein automatisches Verfahren gab. Wohl auch ein Grund dafür, dass viele, die erstmals hätten wählen dürfen, davon keinen Gebrauch gemacht haben.   
Peter Pabst