Unter obigem Titel hatten wir in unserer Doppelausgabe das diesjährige Jahresthema „Arbeit“ angekündigt und auch Sie darum gebeten, uns Ihre Erfahrungen und Wünsche mitzuteilen. Daraufhin erreichte uns folgender sehr persönlicher Leserbrief von Herrn Wolf, den wir in voller Länge abdrucken, da er aus unserer Sicht sehr anschaulich vor Augen führt, welche Bedeutung eine angemessene Arbeit für alle hat:  

 

„Geretsried, den 26.12.17  

 Sehr geehrter CBF! Sehr geehrter Herr W. Vogl!

 Ich heiße Oskar Wolf, bin 56, seit langem Mitglied des CBF, somit auch Empfänger des Rundschreibens 12/17& 01/18, in dem Sie um Zusendung von Erfahrungswerten bezüglich der Jobsuche im Artikel „Arbeit ist des Lebens Würze“ bitten.  

Ich erlitt bereits 1983 eine Schädel-Hirn-Verletzung in Rumänien und wurde erst 4 Monate in Deutschland behandelt, kann Ihnen, nach zahllosen Strapazen, endlich diesen Brief schreiben.  

 Hier nun meine autodidaktischen Bemühungen und anschließend meine Erfahrungen und meine Wünsche.

 Zunächst: Tätigkeit der Abfallbeseitigung

 Als gelernter Techniker und begeisterter Autodidakt war es mein persönliches Ziel, sachgerecht zu entsorgen, da der Beitrag zur intelligenten Wiederverwertung den seelischen Schmerz bei meinem erlittenen Berufsabstieg etwas lindert.  

Beschreibung meiner autodidaktischen Bemühungen :

Aneignung des Tölzer Entsorgungskonzeptes und  dessen Anwendung im Rahmen meiner Mitarbeit in den „Isarwinkler Werkstätten“ Bad Tölz  

Die Isarwinkler Werkstätten –IWW- sind ein Verbund von Reintegrationsfirmen und haben die Wiedereingliederung neurologisch Erkrankter in den 1. Arbeitsmarkt zum Ziel.  Vergeblich suchte ich (Arbeitsamt, -agentur, WfB Geretsried und Gaisach sowie Internet) nach einer mir angemessenen Tätigkeit, fand aber nur unbefriedigende Arbeit. Erst in der neu gegründeten IWW, wo ich gefordert wurde- u.a. mit technischem  Zeichnen und Umgang mit dem PC - fühlte ich mich „angekommen“ . Aber meine wahre Bestimmung fand ich in der von mir initiierten sachgerechten Abfallentsorgung.

Parallel dazu nahm ich an einem Fernkurs(Umweltschutz – Technik/Abfallwirtschaft) teil. Der aktuell zu verzeichnende Einzug der IT Technologien ist eine von mir und meinesgleichen in den 80er, 90er und 2000er Jahre schrecklich vermisste Begleiterscheinung.

In meiner damaligen Ratlosigkeit erinnerte ich mich an die guten Erfahrungen, die ich mit Autodidaktik während meiner Technikerausbildung in Rumänien machte. Meine Ausbildung fußte gut abgestimmt auf Theorie und Praxis (ähnlich der heutigen, verbunden aber mit Eigeninitiative). Je nachdem, wie umfangreich diese war, so erfolgreich war man.

Als Nachkomme ausgewanderter Deutscher ist mir Eigeninitiative und das Hinzulernenwollen in die Wiege gelegt. Ich ergriff die Initiative und half unorthodox und auf eigene Gefahr zunächst dem Hausmeister des Rehazentrums in Bad Tölz beim Entsorgen des anfallenden Mülls. Die hier gemachten praktischen Erfahrungen beabsichtigte ich in der im Aufbau befindlichen Reintegrationswerkstatt IWW anzuwenden. Wir sammelten in Extra-Behältern Papier, Restmüll, Plastik und Biomüll, Glas und Sondermüll mit einem geräumigen Karren in der Geriatrie- und Demenzabteilung ein. Dieses freiwillige „Praktikum“ machte ich ein paar Monate -ergänzt durch einen Fernkurs in Sachen Abfallbeseitigung. Ich fuhr mit meinem Klapprad von daheim zum Bus ins Rehazentrum, absolvierte den Rundgang mit dem Hausmeister und fuhr dann anschließend in die IWW.  Ich „arbeitete“ mich dann in der IWW aus der Dienstleistung zum Facilitymanager hoch und entsorgte den Müll in verschiedenen Bereichen.  Ich ging, wie im Rehazentrum gelernt, vor, indem ich an jeden neuralgischen Punkt des IWW-Gebäudes (Eingang, Flur, Toiletten, Werkstätten, Büros und Lagerhallen) Abfallbehälter für Restmüll, loses Papier bzw. Kartonagen und/oder abgeschlossene Biomüll –Behälter sowie Sondermüll-Behälter (Verbundmaterial, Blister, Folien oder Flaschen) aufstellte.

Mein Zwei-Stunden-Beschäftigungstag bestand aus dem täglichen Entleeren der aufgestellten Behälter mittels fahrbarer Mülltonnen, um anschließend letztere in die hauseigenen Container zu entleeren. Ein Kalender mit festgelegten Abholtagen der Gemeinde legte die periodische Entleerung der Container fest. Alte oder beschädigte Verpackungen evtl. mit Sichtfenster oder anderes Verpackungsmaterial  zerlegte und trennte ich und stapelte es auf eine Europalette. Diese brachte ich danach mit einem Hubwagen selbst zum benachbarten Wertstoffhof.

 Die Anwendung des Tölzer Entsorgungskonzeptes sowie die Umsetzung meines Reha – Planes ist durch umweltbewusste, zukunftsorientierte Sozialpädagogen begünstigt worden.  

Erfahrungen

Das Gefühl, gebraucht zu werden, war Balsam für meine arg geschundene Seele. Glückseligkeit setzt Zweifel voraus … Das bewusst erlebte Negative erzeugte Hoffnung auf bessere Zeiten, die mich andere Sichtweisen annehmen ließ … Erst wenn ich ein tiefes Tal der Gefühle durchschritten hatte, wusste ich das Leben zu schätzen…  

 Wünsche

Eine bessere Einflechtung der IT–Berufe in bereits bestehende Beschäftigungen.  Vervielfältigung von Home Office. Es müssten effizientere Wege zur (Wieder-) Beschäftigung Behinderter beschritten werden als nur Verhängung von Konventionalstrafen bei Nichteinhaltung der 6%igen Beschäftigungsquote Behinderter. Es besteht Revisionsbedarf bei den Arbeitsberatern. Diese sollten mehr Instrumente in die Hand bekommen; um eine größere Zahl an Umschulungsmöglichkeiten anbieten zu können.  Bessere Lobby-Arbeit zugunsten Behinderter. Stärkung bestehender Einrichtungen, beispielsweise Hilfestellung bei Fernkursen.

Generell: Es ist viel verbessert worden, jedoch kein Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen.  

Oskar Wolf“