Arbeit ist mehr als eine Beschäftigung, damit keine Langeweile aufkommt. Sie ist auch mehr als reiner Broterwerb, so wichtig das Geldverdienen auch sein mag. In unserer Gesellschaft ist Arbeit eben auch eine Art "Eintrittskarte" in die Gesellschaft: Gesellschaftliche Akzeptanz („Anerkennung“) wird maßgeblich durch die Teilhabe am Arbeitsmarkt bestimmt: Sie zeigt, dass man etwas leisten kann; sie vermittelt das Gefühl, gebraucht zu werden, nicht überflüssig zu sein. Sinnvolles und zielgerichtetes Tätig-Sein hat für jeden Menschen einen hohen Stellenwert. Um einen Ausdruck von Klaus Dörner (*) zu verwenden: Arbeit befriedigt das grundsätzliche Bedürfnis eines jeden Menschen, „Bedeutung für Andere“ zu haben, „notwendig zu sein.“ Die UN-Behindertenrechtskonvention (§27 (1)) sieht für Menschen mit Behinderungen daher das gleiche Recht auf Arbeit vor wie für Menschen ohne Behinderungen. Folgerichtig fordert sie die Öffnung des ersten („allgemeinen“) Arbeitsmarkts für Menschen mit Behinderungen, und zwar unabhängig von der Schwere der Behinderung.
Struktur des Arbeitsmarktes.

Generell lassen sich zwei Arbeitsmärkte unterscheiden:

Arbeitsmarktsituation von Menschen mit und ohne Behinderung.
Grundsätzlich sind alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen gefordert, wenigstens fünf Prozent davon mit Menschen mit Schwerbehinderung oder ihnen Gleichgestellte zu besetzen (§ 71 SGB IX). Für jeden nicht entsprechend besetzten Pflichtarbeitsplatz ist eine Ausgleichsabgabe zu zahlen, deren Höhe sich nach der Zahl der besetzten Pflichtarbeitsplätze richtet. Zwar wurde Ende 2015 mit Blick auf München diese vom Gesetzgeber vorgesehene Pflichtquote von 5,0% mit 4,8% fast erreicht – aber nur dank des besonderen Engagements der öffentlichen Arbeitgeber (5,9%). Private Arbeitgeber verfehlten mit einer Beschäftigungsquote von 4,2% hingegen weiterhin klar das Ziel. Zwischen den privaten Betrieben zeigen sich dabei große Unterschiede. Eine 2013 vorgelegte Studie belegt, dass etwa ein Drittel aller Münchner Betriebe mit mindestens 20 Arbeitsplätzen überhaupt keine Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigt.
Dieselbe Untersuchung zeigt, dass nur etwa die Hälfte der in München lebenden Personen mit anerkannter Schwerbehinderung (im erwerbsfähigen Alter) erwerbstätig ist. Bei Menschen ohne Behinderungen lag die Quote damals bei knapp 80%. Umgekehrt hatten Frauen und Männer mit einer anerkannten Schwerbehinderung ein über doppelt so hohes Risiko, arbeitslos zu sein, wie die Personen ohne Handicap.
Einstellungshemmnisse. Geht es der Wirtschaft gut, findet man auch Arbeit. Diese „Gleichung“ gilt gerade für Menschen mit Handicap nur bedingt. Betroffene Männer und Frauen sehen sich einer Vielzahl von Beschäftigungshemmnissen gegenüber:
Ansätze & Instrumente.
Ein zentrales Instrument, um die Arbeitsteilhabe von Menschen mit erheblichem Unterstützungsbedarf zu sichern, ist die Arbeitsassistenz als arbeitsplatzbezogene Unterstützung. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer kann die Assistenzkraft dabei selbst einstellen (Arbeitgebermodell) oder einen Anbieter von Assistenzdienstleistungen auf eigene Rechnung mit der Arbeitsassistenz beauftragen (Auftrags- oder Dienstleistungsmodell). Genehmigungsfähig ist eine Arbeitsassistenz aber nur, wenn weder die behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung noch eine vom Arbeitgeber bereitgestellte Unterstützung (z.B. durch Arbeitskollegen) für die angemessene Arbeitsausführung ausreichend sind. Die entsprechende Geldleistung kann gegenüber Rehabilitationsträgern oder den Integrationsämtern geltend gemacht werden. Die Zahl der genehmigten Arbeitsassistenzen ist aber weiterhin sehr gering: Bundesweit erhielten 2016 nur knapp 3.700 Personen von den Integrationsämtern ein Budget für Arbeitsassistenz.
Seit dem 1.1.2018 haben nun auch Menschen mit Behinderungen, die als „werkstattbedürftig“ gelten, ausdrücklich einen gesetzlichen Anspruch auf die Finanzierung entsprechender Assistenzleistungen („Budget für Arbeit“). Voraussetzung ist allerdings, dass den Betroffenen ein Beschäftigungsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt angeboten wird. Die Arbeitgeber ihrerseits erhalten über das Budget dauerhaft einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent des gezahlten Lohnes.

Andreas Sagner

(*) Klaus Dörner2007: Leben und sterben, wo ich hingehöre. Dritter Sozialraum und neues Hilfesystem. Neumünster: Paranus-Verlag, S. 76.