Die Leserbriefseiten der Süddeutschen Zeitung quellen über von Briefen zum Thema Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE). Noch einmal befeuert wurde die Diskussion durch die Bekanntgabe von Siemens, dass es in Sachsen sämtliche Werke schließt und damit eine ganze Industrieregion vernichtet - trotz Milliardengewinnen in anderen Bereichen. Auch wissen wir, wie die weitere Digitalisierung und der Einsatz von Robotern massenhaft Arbeitskraft überflüssig machen und Berufe beseitigen wird, ohne die im Moment die Arbeitswelt noch gar nicht vorstellbar ist. Was die Menschen besonders aufregt, ist, dass gerade der oberste Chef von Siemens Kaeser auch ein Vertreter des BGE ist. Wie charakterisiert ein Leserbriefschreiber das so treffend? Die Gewinne privatisieren und die Verluste sozialisieren. So hätten die Herren es doch gerne, das kennen wir doch schon von der Bankenkrise.

 Es sei dahingestellt wie sich Kaeser das vorstellt. Die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen ist angesichts der zu erwartenden großen gesellschaftlichen Umbrüche wichtig, denn es ist abzusehen, dass sie viele Menschen ist Elend stürzen werden.  

 Deshalb gibt es die Idee, dass jeder Mensch, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, 1000 € monatlich vom Staat erhalten soll, um damit erst einmal eine gesicherte Existenz zu haben. Wenn er oder sie möchte, können sie dann darüber hinaus Arbeitseinkommen erwirtschaften, aber dann können sie sich auch frei entscheiden, welche Arbeit sie annehmen wollen oder stattdessen auch ehrenamtliche Arbeit leisten.

 Für Menschen mit Behinderung ist das Thema ebenfalls sehr interessant, denn viele leben von Grundsicherung und sind damit der ständigen Gängelung durch die Behörden ausgesetzt. Das wäre bei einem BGE anders.

 Aber hier warnt gerade der bekannte und anerkannte Armutsforscher Christoph Butterwegge, der im Übrigen Mitglied der Linken ist, die das Bedingungslose Grundeinkommen fordert.

 In einem Artikel in der SZ schreibt er: „Wenn (fast) alle bisherigen Leistungsarten zu einem Grundeinkommen verschmolzen würden, wäre das Ende des Sozialstaats gekommen, wie Deutschland ihn seit mehr als hundert Jahren kennt. Selbst ein reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland, kann sich nicht beides leisten, die Sozialversicherung. von gut 600 Milliarden € und außerdem ein Grundeinkommen, das die öffentlichen Haushalte erheblich mehr Geld kosten würde, als Bund, Länder und Gemeinden heute an Steuern einnehmen. Im Haushaltsjahr 2016 waren das knapp 640 Milliarden €.“

 Für ein monatliches Grundeinkommen von 1000 € müsste man nach Butterwegges Berechnungen bei 82 Millionen Einwohnern fast ein Drittel des Volkseinkommens aufwenden.

 Das Grundeinkommen lässt die jeweilige individuelle Lebenssituation der Menschen unberücksichtigt, für eine 24-Stundenpflege ist dann kein Geld mehr da. Im teuren München sind 1000 € für diejenigen, die kein weiteres Vermögen besitzen und nicht über eine große Familie verfügen, wo man das Geld zusammenschmeißen könnte, arg wenig Geld. Die Stadt München zahlt z. Zt. Menschen mit Behinderungen, die größere Wohnungen als nicht behinderte Sozialwohnungsberechtigte haben dürfen, um einiges mehr als 1000 € Grundsicherung. Aber dafür wäre dann auch nichts mehr da, selbst wenn die Reichen erheblich mehr über Steuern zu Kasse gebeten werden.

Stattdessen erhält aber auch jeder, der sie nicht benötigt, die 1000 €, die kann man ja gut für die Reitstunden der Kinder oder tolle Golfreisen oder noch einen SUV verwenden.

Hierzu sagt Butterwegge: „Seit den griechischen Philosophen des Altertums ist bekannt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden muss, soll es gerecht zugehen. Milliardären denselben Geldbetrag wie Müllwerkern und Multijobberinnen zu zahlen, verfehlt das Ziel einer „austeilenden Gerechtigkeit“(Aristoteles), weil die sozialen Gegensätze nicht beseitigt, sondern zementiert würden“.

Die Gefahr besteht, dass diejenigen, die darüber hinaus Jobs brauchen, durchaus auch schlechter entlohnte Arbeit annehmen und der Niedriglohnsektor wachsen würde. Die Idee, dass die Menschen bei einem bedingungslosen Grundeinkommen ihren persönlichen Bedürfnissen gemäß eine Beschäftigung (und sei es Reparaturen in einem Repaircafe machen) suchen würden oder z.B. als Privatgelehrter zu Hause arbeiten, wird aber nur bei wenigen aufgehen und entspricht nicht dem gesellschaftlichen Standard, wo viele Leute keine gute Bildung haben und auch durch die heutige Arbeitswelt gar nicht mehr in der Lage sind, kreativ zu sein. Ich muss sagen, dass ich da durchaus Kardinal Marx' Befürchtungen teile, der (ebenfalls) in der SZ sagte: „Wer meint, man könne eine Gesellschaft aufbauen, indem man einen großen Teil mit dem Grundeinkommen versorgt und ansonsten Unterhaltungsindustrie auf sie loslässt, liegt meiner Ansicht nach falsch, denn Arbeit ist nicht irgendwas, sondern die Arbeit gehört auch zur Grundkonstitution des Menschseins“ und damit meint er Arbeit, von der man sich und seine Familie ernähren kann und etwas Sinnvolles tut für die Gemeinschaft.

Karl Marx (nicht zu verwechseln mit Kardinal Marx) wird in der Debatte öfter mit dem Satz zitiert “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.“ Damit meint er allerdings nicht das bedingungslose Grundeinkommen, sondern den Kommunismus und er geht hier von einer hochentwickelten klassenlosen (!) Gesellschaft mit ebenfalls hochentwickelten Individuen aus, die sowohl Herren (und Frauen –das war ihm wohl nicht so wichtig) über den Produktionsprozess als auch allseitig kulturell und wissenschaftlich gebildet sind. Das sind nicht die Bedingungen, über die wir hier sprechen.

Was das Beispiel Siemens angeht, wäre ich übrigens nicht dafür, dass man die Arbeiter mit einem bedingungslosen Grundeinkommen nach Hause schickt, sondern dass Siemens verpflichtet wird, die Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen und die Werke auf neue Geschäftszweige umzustellen und die Beschäftigten in den Werken weiterzubilden. Siemens hat genügend Gewinn und außerdem bereits viel Fördergelder erhalten. 

Carola Walla