Liebe Mitglieder, liebe Freunde!
Das wichtigste Ereignis des letzten Monats war unsere Podiumsdiskussion in der TU Wohnraum für alle – eine Illusion?
Mein vorrangiger Eindruck: Das Ausmaß der Gleichgültigkeit den Bedürfnissen und Nöten behinderter Menschen gegenüber war erstaunlich.
Einige Beispiele: Der Münchner Stadtrat hat am 16. März beschlossen, bei den nun rasch zu errichtenden Wohnungen keine einzige barrierefrei zu bauen. Herr Reissl (Vorsitzender der SPD Stadtratsfraktion und Sprecher des Bauausschusses der LHM) bestritt das. Nein, behauptete er, man würde nur von den erhöhten Anforderungen an Barrierefreiheit Abstand nehmen. Und das heißt?“, wurde er gefragt. „Dass die Wohnungen barrierefreie Grundrisse erhalten. Aber der Lift würde nur vorgesehen werden, nicht gebaut. Also in der Wohnung wohnen könne ein Rollstuhlfahrer nicht? Nein, war die Antwort. Wie würden Sie, liebe Leser, das nennen?
Außerdem kam auch das alte, mundtot machende Argument: Wenn Sie solche Maximalforderungen stellen wollen, dann werden die 3000 Wohnungen, die München als ein erstes, zügiges Sonderprogramm geplant hat, eben gar nicht gebaut und die Bedürftigen in Obdachlosenheimen untergebracht. Im Klartext heißt das, wir mit unserer Forderung nach barrierefreien Wohnungen verhindern, dass Bedürftige (das sind offenbar die anderen, aber keinesfalls Behinderte) rasch eine Wohnung bekommen. Ein möglicher Ausweg wäre unseres Erachtens: Wenn das eine Projekt mit 3000 Wohnungen ohne das erforderliche Drittel barrierefreier Wohnungen geplant wird, so müsste dieses Drittel eben zusätzlich in einem gleichzeitigen Nachbarprojekt ausgeführt werden. Das aber ist der Stadt offensichtlich keine Überlegung wert.
Ein anderes Beispiel: Herr Mager (Stadtdirektor und Leiter der Lokalbaukommission der LHM) erzählte von einem Fall, bei dem der Bauträger ein Drittel barrierefreie Wohnungen ausgewiesen hatte. Bei der Überprüfung stellte sich heraus, dass keine einzige Wohnung barrierefrei war. Um das Projekt nicht fallen zu lassen, wurde die Planung so abgesegnet, wie sie war. Der Bauherr sollte nur beim nächsten Vorhaben auf Barrierefreiheit achten. Wir dagegen hätten uns gewünscht, dass der Bauherr zumindest eine so hohe Strafsumme (viel höher als derzeit gefordert wird) zahlen muss, dass er das nächste Mal die Barrierefreiheit nicht mehr außer Acht lassen kann. Zudem frage ich mich, ob man auch dann großzügig auf eine gesetzliche Vorschrift verzichtet, wenn es beispielsweise um Brandschutz geht: „Sie haben den Brandschutz vergessen? Macht nichts. Dann achten Sie bei Ihrem nächsten Bauvorhaben darauf!“
Man sieht, barrierefreies Bauen wird nicht als existentielle Notwendigkeit gesehen. Leider, denn das wäre tatsächlich Bauen für alle – und gerade das hätten wir dringend notwendig, denn kaum einer von uns wird im Laufe seines Lebens so fit und beweglich bleiben, dass er auf eine barrierefreie Wohnung verzichten kann! Herr Dienersberger, (Leitender Baudirektor und Leiter des Sachgebietes Wohnungswesen der Regierung von Oberbayern) bestätigte das: „Barrierefreies Bauen hat noch keinen Platz im Denken der Allgemeinheit. Dass sich das endlich ändert, dafür müssen wir uns einsetzen“. Das tun wir vom CBF gerne, auch mit der Unterstützung von Herrn Dienersberger oder von Herrn Böhm, (Vorsitzender des Deutschen Werkbundes Bayern). Auch ihn hoffen wir für eine Durchsetzung der längst vorhandenen Gesetze zu gewinnen.
In Folgenden lesen Sie dazu auch einen Artikel von Peter Pabst, der schildert, welche Schlüsse wir aus der Podiumsdiskussion gezogen haben und wie wir weiter vorgehen wollen.
Außerdem möchten wir diese und die nächste Ausgabe ganz dem Schwerpunktthema Wohnen widmen und dabei verschiedene Wohnformen vorstellen, in denen Menschen mit Behinderungen leben. Den Anfang machen Carola Walla und ich. Carola Walla berichtet vom Förderzentrum in Freimann und von Fällen, in denen Eltern für ihre erwachsenen behinderten Kinder bauen. Ich stelle Ihnen dann das so genannte Arbeitgebermodell vor.
Darüber hinaus haben wir zwei Einladungen für Sie – eine zum nächsten Museumsbesuch und eine von Michaela Schlereth zur nächsten Rollstuhlwanderung.
Und natürlich wäre auch diese Ausgabe nicht komplett ohne ein LOKAL DES MONATS von Hanne Kamali. Diesmal handelt es sich sogar um mehrere Lokale, die einen engen Bezug zu dem 500 jährigen Jubiläum des Reinheitsgebots und den in diesem Zusammenhang eröffneten Ausstellungen zum Thema Bier haben.


Ingrid Leitner