Grundlagen zur Errichtung barrierefreien Wohnraums sind nicht verhandelbar.
Wohnraum für alle zu schaffen, ist eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Dem Vorhaben ist im Hinblick auf die demografische Entwicklung allerhöchste Priorität einzuräumen, zumal es aus volkswirtschaftlichen Erwägungen dazu keine Alternativen gibt!
Umso sprachloser macht es, wenn einem Stadtratsbeschluss zu entnehmen ist: „Die erhöhten Anforderungen an die Barrierefreiheit werden nicht umgesetzt.“ Dass wir als CBF angesichts solcher Entwicklungen eben nicht sprachlos bleiben, ist dem geneigten Leser, unseren Mitgliedern, sicher bekannt. Auf der von uns organisierten Podiumsdiskussion, die am 13. April im Vorhoelzer Forum der Technischen Universität München stattfand, konnten wir unsere Bedenken im Diskurs mit wichtigen Verantwortlichen von Stadt, Regierung, Architektur sowie den Betroffenen – als Experten in eigener Sache - zur Sprache bringen. Die Moderation übernahm unsere Vorsitzende Dr. Ingrid Leitner. Engagierte und mahnende Grußworte richtete die Schirmherrin Ulrike Mascher, Präsidentin des VDK Deutschland und Vorsitzende des Deutschen Behindertenrats, an den „handverlesenen“ Kreis der Eingeladenen. Auch das daran sich anschließende Impulsreferat von Dr. Andreas Sagner, der mit seinem Institut von der Stadt München beauftragt war, eine Studie über die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung zu erstellen, verdeutlichte, von welch existenzieller Bedeutung eine bedarfsgerechte Wohnraumversorgung für diesen stetig wachsenden Personenkreis ist. Konfrontiert mit dem eigenen Stadtratsbeschluss, versuchte der Fraktionsvorsitzende der SPD und Sprecher des Bauausschusses der Stadt München, Alexander Reissl, die Entscheidung zu bagatellisieren. Er schreckte auch nicht vor dem Versuch zurück, uns ein schlechtes Gewissen vermitteln zu wollen, sollten wir uns gegen den schnellen Bau der dringend benötigten 3000 günstigen Wohnungen aussprechen, die schließlich zusätzlich zu den ohnehin geplanten Vorhaben entstehen würden. Nur so wäre es möglich, die drängende Flüchtlingssituation in den Griff zu bekommen.

Dass sich auch unter den Flüchtlingen eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Menschen mit Behinderung befindet, verschwieg er. In diesem Zusammenhang ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir uns in dieser Auseinandersetzung nicht gegeneinander ausspielen lassen, sondern Schulter an Schulter für menschenwürdige Wohnbedingungen aller eintreten sollten. Zu bedenken gebe ich, dass nach Jahren der Versäumnisse gerade wegen der Flüchtlinge neuer, sozial geförderter Wohnraum im größeren Stil geplant, bezuschusst und errichtet wird. Dass dieser auch den gesetzlichen Vorgaben entsprechen muss, stellte Roman Dienersberger, Sachgebietsleiter der Abteilung Wohnungsbau bei der Regierung von Oberbayern, unmissverständlich klar. Christian Böhm, Vorsitzender des Deutschen Werkbundes Bayern und Initiator des Netzwerkes „Wohnraum für alle“ musste einrä
umen, dass ein ausgeschriebener Architektenwettbewerb zwar zu zahlreichen engagierten Vorschlägen geführt habe, dass aber kaum einer der 70 Beiträge die gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt habe.
Sollten Sie diese spannende Veranstaltung ganz oder in Teilen nachverfolgen wollen, so können Sie ab Anfang Mai auf unserer Homepage unter Aktivitäten einen Videomitschnitt aufrufen und abspielen. Wir würden uns über Ihr Interesse freuen.
Unser Ziel ist es nunmehr, in einen Dialog zu treten, der das eine leistet ohne das andere aus den Augen zu verlieren. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben wir im Vorfeld zum eingangs bezeichneten Stadtratsbeschluss alle Fraktionsmitglieder des Stadtrates angeschrieben, mit der Bitte, dem Beschluss nur dann zuzustimmen, wenn zugesichert würde, dass auch bei diesem zusätzlichen Wohnbauvorhaben das barrierefreie Bauen (Artikel 48 der Bayerischen Bauordnung) ohne jegliche Einschränkung zur Anwendung kommt. Immerhin stellte die Fraktion „Die Linke“ daraufhin einen Änderungsantrag, der von einigen unterstützt, von der Mehrheit allerdings nicht mitgetragen wurde.
Mit Sorge erfüllt uns die Tatsache, dass mittlerweile auch auf Landesebene ein Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion gestellt wurde, der die Regierung auffordert, bestehende baurechtliche Standards und technische Anforderungen zu überprüfen und auf „ein realistisches Maß anzupassen“. Nur so ließen sich aus Sicht von Verwaltung und Politik entscheidende Impulse setzen, die der Wohnungsbau angeblich dringend bedürfe. Genau solch ein Beschluss wurde in den Ländern Niedersachsen und Baden-Württemberg bereits gefasst, so dass ein krisengetriebenen Aktionismus fehlgeleiteter Politik zur traurigen Realität wurde. Auch hier sind wir bereits tätig und haben erste Gespräche mit behinderten- und wohnungspolitischen Vertretern der Landtagsfraktionen geführt, um Überzeugungsarbeit zu leisten und Solidarität mit letztlich existenziellen Belangen von Menschen mit Behinderung zu erzielen.
Unabhängig von der Frage der Sinnhaftigkeit kann jeder Mensch in einer Wohnung leben, die mit reduzierten Standards beim Trittschall und der Energetik ausgeführt wurde. Die mangelnde oder gar fehlende Zugänglichkeit zu und Nutzbarkeit von Wohnraum schließt jedoch immer größer werdende Personenkreise von einem chancengleichen, selbstbestimmten Leben komplett aus. Dies gilt es zu verhindern! Wir bleiben am Ball und werden weiter berichten.

 
Peter Pabst