Interview im Münchner Förderzentrum in Freimann

Ich habe mit der Mutter einer 25-jährigen Frau, die im Münchner Förderzentrum lebt, ein Gespräch geführt. Die Mutter möchte lieber unerkannt bleiben, obwohl sie eigentlich keine Kritik an dem Modell des Förderzentrums hat, sondern es im Wesentlichen sehr gut findet und auch meint, dass es gut umgesetzt wird.
Das Münchner Förderzentrum ist eine Einrichtung des Integrationszentrums Cerebralparese (ICP).
Ziel ist, Menschen mit schwersten Behinderungen eine Wohn- und Lebensmöglichkeit, unabhängig von der Familie zu bieten. Vorgesehen ist, dass man dort für immer leben kann. Niemand soll in fortgeschrittenem Alter in eine andere Einrichtung wechseln müssen.
In einen sinnvollen Tagesablauf wird Arbeit integriert, eine Teilnahme an diesem Programm auch bei schwerster körperlicher Einschränkung ermöglicht. Dazu werden die Maschinen entsprechend eingerichtet und angepasst.
Man lebt in Gruppen zu acht zusammen und hat feste Betreuer und Pfleger. Jede Gruppe hat eine gemeinsame Wohnküche. 10-12 Wohngruppen gibt es insgesamt. Alle sollen sich so weit wie möglich an der Essenszubereitung beteiligen. Es wird Wert darauf gelegt, dass das Essen gemeinsam eingenommen wird. Jeder hat sein eigenes Zimmer, das er oder sie individuell einrichten kann. Wann man ins Bett geht, ist selbst bestimmbar. Es gibt gemeinsame Freizeitaktivitäten und Unternehmungen wie Kino und Disco, abends geht man mal gemeinsam um den Block. Es ist aber auch möglich, Helfer für individuelle Freizeitgestaltung zu bekommen. Alle zwei Jahre fährt die Gruppe gemeinsam in den Urlaub.

 

Gibt es einen Bewohnerwechsel, werden die anderen Bewohner befragt, wen sie gerne in der Gruppe haben möchten. Diese Wünsche können allerdings nicht immer berücksichtigt werden, denn es muss in der Gruppe Menschen mit unterschiedlichem Pflegebedarf geben, sonst funktioniert der Pflegedienstplan und auch die Finanzierung nicht.
Ein großes Plus beim Förderzentrum in Freimann ist laut meiner Gesprächspartnerin die perfekte barrierefreie und rollstuhlgerechte Gestaltung des Hauses und der Außenanlagen, so dass sich die Bewohner mit Behinderung weitgehend selbstständig bewegen können.
Das Personal, die Betreuer und Pfleger sind außerordentlich engagiert und mit Leib und Seele bei den Bewohnern. Das ändert aber nichts daran, dass der Pflegeschlüssel in den letzten Jahren durch den Bezirk ausgedünnt wurde und der Betreuungsschlüssel immer zu knapp ist und die Personaldecke gerade bei Krankheit und Urlaub des Personals nicht ausreicht. Außerdem schlägt sich der außerordentlich angespannte Münchner Arbeitsmarkt für Pflegekräfte darin nieder, dass bei Personalwechsel oft lange Lücken entstehen.
Trotzdem versuchen die Betreuer, den Bewohnern, das Leben so schön wie möglich zu gestalten, sie kümmern sich gezielt auch um diejenigen, die keine Angehörigen mehr haben oder zumindest niemanden, der sich um sie kümmert und machen mit Ihnen am Wochenende Ausflüge.


Carola Walla